Megan McCafferty Dr i a a a a a a a a a a a j u g e n d b u c h
i die Tücken des erwachsenwerdens – mit viel herz und hirn! Im dritten Band von Jessica Darlings schonungslos ehrlichen Tagebüchern geht sie endlich zum Studium nach New York! Einziger Wermutstropfen: Markus geht nach Kalifornien. Wie sol sie es bloß ein halbes Jahr ohne ihn aushalten? Zu al em Überfluss hat Jessica für die Ferien einen Praktikumsplatz bei einer ziemlich coolen Zeitschrift ergattert – am liebsten würde sie ihn wieder absagen, um nicht noch einen Monat von Markus getrennt zu sein. Aber so ein klammeriges Mädchen ohne eigene Ziele wol te sie nie werden, also nichts wie los nach Brooklyn in die Zeitschriftenredaktion!
» ›Dritte Male‹ ist vol er Leben, originel er Stimmen und unvergesslicher Charaktere.« HArvArD CrIMSoN
megan mccafferty Dritte Wege
An: jdarling@columbia.eduVon: flutie_markus@gakkai.eduGesendet: 31. März 2003Betreff: Poetry Spam Nr. 21
frenetisch flatternderwacht Kolibris SeeleHallo Hallo Herz
--- Weitergeleitete Nachricht ---Von: Joe Mailbiz [zihxziwkyg@mailbiz.com]Gesendet: 30. Mai 2003An: flutie_markus@gakkai.eduBetreff: Hallo objektivieren Wohnblock sieden Checkliste
Fahrbahn Klumpen Matte freudianisch schalkhaft Kutsche Seele administrativ kuscheln Kretin Flatulenz möblieren Quantität fre-netisch siebzigste kontrollierte Trick unermüdlich Stereoskopie Kolibri Mittag Meuterei vierte Dialyse Rückschlag einräumen tri-umphal Hahnenkamm ablehnen Helikopter erwähnt Prozent Ein-kommen Begründung Spitzen inkorporieren erwacht Querverbin-dung Bleiche apollonisch Schädeldecke aufhängen betrügen Ethel vertagen Hemmung Herz bedenken übel Stolz komponie-ren hegen Droge unverletzt flatternd besänftigen Schock Wal eigenhändig Sägezahn niedergehen sonnig Konnotation austrock-nen prüde Hallo
j u g e n d b u c h
Immer wieder lese ich Markus’ neustes Haiku, das ich mir zu genau dem Zweck ausgedruckt habe. Wie ist er bloß auf diese Spam-Lyrik gekommen? Woher kam die Idee, seine Junkmails zu Gedichten zu recyceln? Ich bewundere seine Fähigkeit, die versteckte Schönheit in gewöhnlichen Dingen zu entdecken.
Ich vermisse ihn, und ich weiß, er vermisst mich auch. Im Busbahnhof Port Authority darf man nirgendwo sit-
zen, wenn man nichts verzehrt. Bei Au Bon Pain hat man mich rausgeschmissen, weil ich mein Schnapsglas Orangen-saft für vier Dollar dummerweise auf einen Zug ausgetrunken habe. Der Müllwärter mit den Adleraugen teilte mir mit, ich dürfe nun nicht länger an den beschirmten Tischen sitzen. Verzweifelt und vertrocknet verließ ich den Laden.
Jetzt sitze ich bei Timothy’s World Coffee, wo sie keine
Unglück verheißenden Schirme aufgespannt haben. Ich sitze auf einem Barhocker, schreibe die ersten Zeilen in mein neu-es Tagebuch und versuche, nur winzig kleine Schlucke von meinem überteuerten Poland-Spring-Wasser zu nehmen, um mein Recht auf den Sitzplatz nicht zu verwirken. Ich bin pleite und es gibt nirgendwo Wasserspender, um mein Glas mit Keimen nachzufüllen.
Und das ist schlimm, weil ich nämlich literweise sau-
fen könnte. Accutane saugt mir jeden Tropfen Flüssigkeit aus dem Körper. Ich bin ein einziger vertrockneter Haut-schuppen. Meine Mundwinkel sind aufgeplatzt und blutig,
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weshalb ich immerzu mit dem Fettstift rund um den Mund fahren muss und aussehe, als hätte ich den ganzen Morgen an einem Stück Butter gelutscht. Ich hoffe, wenn ich Mar-kus unter die Augen trete, sind meine Lippen nicht mehr so rissig/fettig.
Wüstenhaut und -lippen sind nur zwei der zahlreichen
Nebenwirkungen von Accutane. Laut Beipackzettel kann ich außerdem mit Folgendem rechnen:
• Durchfall, rektale Blutungen• Schwere Kopfschmerzen• Übelkeit, Erbrechen• Stimmungsschwankungen
Na, wenn einem bei Durchfall, rektalen Blutungen, schwe-ren Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen nicht die Stim-mung schwankt, dann weiß ich auch nicht. Meine Laune wogt auch so schon genug auf und ab, deshalb habe ich mit Accutane nur angefangen, weil meine Mutter darauf be-stand. Sie begrüßt begeistert jeden Fortschritt der Kosmetik-forschung und ist der Ansicht, es kommt einer Kindesmiss-handlung gleich, seine Nachkommen nicht mit makelloser Haut auszustatten. Accutane hat Len Levy geheilt, dessen Gesicht in der Highschool von zornig dunkelroten Pusteln übersät war, also sollte es bei mir auch helfen. Meine Akne ist bei weitem nicht so schlimm wie seine war, aber ich muss meiner Mutter Recht geben, dass meine Haut nie ganz rein ist. Irgendwo im Gesicht schwillt mir anscheinend immer ein Pickel, und wenn er verschwindet, nimmt ein anderer seinen Platz ein. Einer nach dem anderen.
Meine tägliche Ration Accutane entspricht der empfoh-
lenen Dosis für einen doppelt so schweren Menschen. Drei
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schaumig weiche gelbe Tabletten. Ich nehme sie jetzt zum dritten Mal – bei den ersten beiden Versuchen zeigte das Me-dikament keine Wirkung – und war seltsam stolz, als mein Hautarzt sagte, dass ihm in fünfundzwanzig Jahren derma-tologischer Praxis noch nie so hartnäckige Pickel begegnet sind. Ich bin ein medizinischer Ausnahmefall.
Ich stelle mir gern vor, dass Markus mich »einzigartig«
Dr. Rosen sagt außerdem, der Zustand meiner Haut
sei stressbedingt. Ach was. Vor zwei Wochen habe ich vier Hausarbeiten geschrieben und im Lauf von fünf Abschluss-klausuren fünf blaue Hefter vollgeschrieben. Während der Prüfungen habe ich mir aus einem plötzlichen Impuls (und aus Idiotie) den Pferdeschwanz abgeschnitten, weil mir von der Haarspannung ständig die Kopfhaut schmerzte. Der fol-gende Reparaturhaarschnitt sollte so eine Art intellektuell-raffinierter Bob mit kurzem Pony werden, wie bei der Figur Jordan in Real Genius,einem meiner liebsten Teenagerfilme aus den Achtzigern. Weil meine Haare aber immer unbän-dig in die Gegend stehen, sehe ich eher aus wie Mitch, das verrückte Genie aus dem Film. Einziger Pluspunkt dieser haarsträubenden Fehlentscheidung war, dass ich mich ohne Kopfhautschmerz voll auf die Prüfungen konzentrieren konnte und einen phantastischen Notenschnitt von 3,85 für das Semester schaffte, was meine Eltern freuen wird, jeden-falls vorübergehend. Meine hervorragenden Noten bessern zwar meine finanziellen Aussichten nach der Uni, doch mei-ne derzeitigen Geldsorgen lindern sie nicht. Meine Eltern ge-ben mir nur die allernötigste Unterstützung, denn ich habe ja – so ihre Worte – selbst beschlossen, mich in Schulden
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zu stürzen, weil ich unbedingt an die Columbia wollte und nicht mit einem Vollstipendium ans Piedmont College. Ich stehe zu meiner Entscheidung, aber nicht mehr ganz so lei-denschaftlich, seit ich eine klare Vorstellung davon habe, wie lange ich dazu brauchen werde, die 100.000 Dollar Studien-darlehen abzuzahlen, die ich bis zum BA sammle. Ganz zu schweigen vom folgenden MA und der Promotion, die ich natürlich dringend brauche, damit mein BA in Psychologie überhaupt irgendwas wert ist. Das Erbe meiner Großmutter reicht noch ungefähr für ein halbes Semester, und in den Sommerferien werde ich keinen Cent dazuverdienen, denn kein anständig zahlender Arbeitgeber wird mich einstellen, anlernen und dann für den ganzen Juli wieder gehen las-sen, damit ich mein unfassbar tolles, aber total unbezahltes Praktikum bei der Zeitschrift True antreten kann. Während dieser glorreichen Sklaverei wohne ich in New York bei mei-ner Schwester Bethany (mit der ich außer dem Erbgut nichts gemeinsam habe), ihrem Mann G-Money (der sich seinen Spitznamen verdient hat, indem er Millionen an der Börse gewonnen und wieder verloren und trotzdem noch genug übrig hat, sich in eine hiesige Eispudding- und Donut-Kette einzukaufen, die er landesweit etablieren will) und meiner Nichte Marin (die zwar sehr süß ist, aber dazu neigt, alles vollzukacken) und erleide weitere Wochen der Trennung von meinem Freund, den ich seit sechs Monaten nicht gesehen oder gar angefasst habe und auf dessen Flur im Wohnheim eine Nudistin und Buddhistin namens »Butterfly« wohnt, die Kleidung als Fesseln, betrachtet und gar nicht verstehen kann, wieso Nacktheit immer sexuell aufgefasst wird . j u g e n d b u c h
In der Nische vor mir sitzt ein süßes junges Pärchen, noch
in der Flitterwochenphase ihrer Beziehung, oder vielleicht se-hen sie sich gerade nach langer Trennung wieder. Sie gehen allen auf die Nerven außer sich selbst und tauschen, seit sie sich hingesetzt haben, ständig kleine Küsschen aus. Hin und her und hin und her, quer über den Tisch, Küsschen, Küss-chen, Küsschen. Mir sind saftige Zungenküsse lieber als diese leidenschaftslosen Bussis, so trocken wie meine sehnenden Lippen.
Gerade habe ich versucht, Markus per Handy anzurufen.
Topher, einer seiner »Hüttengenossen«, teilte mir mit, er sei ausgegangen, »sich reinigen«. Er erklärte, das sei ungefähr das Gleiche, als würde ein Zimmergenosse an einer anderen Uni sagen, jemand sei ausgegangen, um sich volllaufen zu lassen. Markus’ Welt ist mir so fremd, dass ich das Gefühl nicht loswerde, auch ihr Bewohner sei ein Fremder. Ich freue mich immer, wenn ich Markus am Telefon erwische und im Hintergrund die Musik hören kann, die er gerade laufen hat. Diese Musik ist der Klang seiner Welt ohne mich. Damit umgibt er sich, wenn ich nicht bei ihm bin, also fast immer.
Und so wird es noch drei Jahre bleiben.
Ich sitze in dem Raum, der die ersten achtzehn Jahre meines Lebens mein Zimmer war. Er wird immer noch mein Zim-mer genannt, ist es aber nicht mehr, trotz aller gegenteiligen Hinweise. Die Poster von John-Hughes-Filmen rollen sich zwar an den Ecken auf, hängen aber größtenteils noch an
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den hämatomfarbenen Wänden. Die Plaketten und Pokale, auf denen in feierlichen Lettern mein Name prangt, türmen sich immer noch auf den Regalbrettern. Und das gerahmte Mosaik, das Hope und mich zeigt – von der Künstlerin selbst gefertigt und am Tag vor ihrer Abreise an mich überreicht, achtzehn Tage vor meinem sechzehnten Geburtstag – hängt immer noch auf seinem Ehrenplatz über dem Bett. Als ich meine Taschen fürs College packte, habe ich diese Sachen absichtlich zurückgelassen, damit ich an einen Ort zurück-kehren konnte, der sich wie ein Zuhause anfühlt.
Aber nach neun Monaten Studium sehe ich dieses Zim-
mer und seinen Inhalt wie durch einen Staubschleier, mag der nun psychologisch bedingt sein oder echt. Als würde ich die Funde einer archäologischen Ausgrabungsstätte studie-ren: den CD-Spieler, auf dem Jessica Darling einst Morrissey hörte; den Schreibtisch, an dem sie ihre Bewerbungsschrei-ben an Universitäten verfasste. Den Teppich, auf dem sie sich einst vergeblich in unmögliche Stellungen zu verrenken suchte, als sie sich kurzzeitig für Yoga begeisterte; das schma-le Bett, auf dem sie sich einst erfolgreich mit ihrem Freund in die geräuschlosesten Stellungen verrenkte, während ihre Eltern unten an den äußersten Enden der Wildleder-Couch saßen und einen Tom-Hanks-Film anschauten.
Doch mein Wohnheim-Zimmer, ganz ähnlich ausstaf-
fiert, ist ebenso wenig mein Zuhause. Ich suche Asyl, bin auf der Flucht vor der ersten Geburtstagsparty meiner Nichte Marin.
Besser gesagt, ihrer zweiten ersten Geburtstagsparty. Mei-
ne Eltern bestanden darauf, eine Feier für »Marins New-Jersey-Freunde« zu organisieren. Bethany und G-Money
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konnten keinen Großstädter überreden, hinaus zu unse-rem »Landhaus« zu fahren, einem Einfamilienhaus in einer Wohnsiedlung aus den Siebzigern, dem meine Mutter ih-ren Immobilienmaklerkollegen gegenüber als »einen gewis-sen Retro-Charme, aber alle modernen Annehmlichkeiten« attestiert. Will sagen, die abstoßende Architektur wird nur durch eine neue Holzfassade, umfassende landschaftsgärt-nerische Maßnahmen und eine modernisierte Küche sowie Badezimmer ausgeglichen.
Aber New Jersey ist eben New Jersey, und nichts konnte
die Hipster aus Bs & Gs New Yorker Freundeskreis herlo-cken, nicht mal das Angebot, einen Luxusbus zu chartern, mit Fernsehschirm vor jedem Sitz, alle auf den Kindersender »Nick Jr.« eingestellt. (Solche Extravaganzen könnten sie sich inzwischen leisten, da sie wieder unübersehbar reich sind – schon fünf Drive-In-Filialen von Papa D’s Donuts / Wally D’s Sweet Treat Shoppe schreiben schwarze Zahlen. Nicht, dass sie je arm waren, nicht mal nach dem New-Economy-Crash.) Letztlich mussten sie also letztes Wochenende schon eine Party für Marins »New Yorker Freunde« schmeißen – ein Dutzend Benetton-Babys aus Brooklyns angesagtesten kinderfreundlichen Gegenden, die alle Miniatur-Ausgaben der Outfits ihrer Eltern anhatten. Die Mädchen: Sommer-kleidchen von Lilly Pulitzer. Die Jungen: »Ironisch« getra-gene Seersucker-Anzüge mit kleinem Che-Guevara-T-Shirt darunter. Irgendwie hat Marin in ihrem ersten Lebensjahr mehr Freunde gefunden als ich in neunzehn Jahren.
Nicht weniger verstörend war Marins unbedingter
Wunsch, ihre liebste Fernsehfigur Pinky den Pudel zum Mot-to ihrer New-Jersey-Party zu erwählen. Diese sonnenblonde
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Einjährige mit tiefen Grübchen zieht nicht nur ein Zeichen-tricktier allen anderen vor, sondern kann ihre Vorliebe auch deutlich ausdrücken, indem sie »PIPI PUH PIPI PUH« schreit. Wie das ach-so-perfekte Mädchen seiner Mama mit diesem anscheinend unanständigen Ausruf die Schamröte ins Gesicht treibt, lindert meine Trübsal darüber, dass ich das intellektuelle Los meiner Nichte so wenig verbessern kann.
Passend zum Motto heuerten ihre Großeltern (meine
Eltern) ein älteres Kind aus der Nachbarschaft an, um sich als rosa Pudel zu verkleiden, der nur Schuhe und Shopping im Kopf hat. Das Kostüm lässt sich am besten als zwan-zig Kilo schwerer Fellball beschreiben. Draußen herrschen fünfunddreißig Grad, die Luft steht vor Feuchtigkeit – wer kann es dem Kind verdenken, dass es vor dieser Demütigung kneift? Und einmal dürft ihr raten, wer als Einzige in die rosa Flauschzwangsjacke passt? Ich sage nur so viel: Pinkys Mar-kenzeichen, der Stepptanz zu ihrem Erkennungslied (»Der schönste Vierbeiner bin ich!«), hatte weniger Elan als sonst. Sosehr ich mich auch mühte, ich kriegte meine schweren Pfoten einfach nicht hoch genug.
»Na los, Jessie – ich meine, Pinky: Hoch die Beine!«, rief
meine Mutter von hinten. »Eins, zwei, drei!«
»Buuuuuuuuuuuuuuuh!«, jaulten die kleinen Wadenbei-
ßer und bewarfen mich mit Gummibärchen.
»Nein, nein, nein!«, tadelte Bethany die Krabbelgören mit
erhobenem Zeigefinger. »Wir sind lieb zu Tieren!«
Oh, danke, Bethany. Vielen Dank. Dann wandte sie sich zu mir. »Na los, Pinky! Jetzt schüt-
tel mal dein Schwänzchen!« Sie wackelte mit ihrem saftigen Pfirsichhintern, der in seinem Jeans-Minirock geradezu ob-
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szön perfekt aussah. Bethany wird oft für Marins Au-pair gehalten und ist das Paradebeispiel für die Pornokategorie »Geile Mütter«. Wäre ich dazu in der Lage gewesen, hätte ich das Bein gehoben und sie angepinkelt.
Der Einzige, der sich um meine Gesundheit zu sorgen
schien, war mein Vater. »Treibt sie nicht so an«, sagte er. »Jessie ist nicht mehr so in Spitzenform wie früher, als sie noch ernsthaft Sport trieb.« Mein Gott. Vor zwei Jahren habe ich aufgehört, Mittelstreckenrennen zu laufen, und er kann immer noch keine Gelegenheit auslassen, alle auf mei-ne schwindende Muskelmasse hinzuweisen. Er selbst steck-te natürlich noch schwitzend in Radlershorts, da er gerade neunzig Minuten durch die Gegend gestrampelt war, denn gesundheitsgefährdendes Wetter hat ihn noch nie von der Jagd aufs Gelbe Trikot abgehalten.
In mein Zimmer (das mir nicht mehr wie mein Zimmer
vorkommt) trieben mich also nicht das allgemeine Gespött oder ein Hitzschlag oder gar ein anaphylaktischer Schock wegen allergischer Reaktion auf synthetisches Pudelfell. Ich sitze hier, weil ich vergessen hatte, wie sehr ich diese Men-schen – auch genannt meine Familie – gleichzeitig liebe und hasse. Während des Semester habe ich sie irgendwie vermisst. Nicht so sehr die Menschen selbst, sondern ihre beruhigende Vorhersehbarkeit. Mein Vater fragt dauernd, ob ich meine Zeit immer noch mit Psychologie verschwende und ob es mich nicht langweilt, den Kilometer auf der Mini-Hallen-bahn der Columbia University über vier Minuten zu schlei-chen. Meine Mutter fragt dauernd, ob sich alle Mädchen an der Uni wie Lesben anziehen. Bethany fragt dauernd, ob ich in irgendeinem todschicken Club war, in den man bloß
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mit Einladung reinkommt. G-Money ignoriert mich, weil er völlig damit beschäftigt ist, neue kreative Wege zu ersinnen, den krisensicheren Markt amerikanischer Verfettung anzu-zapfen.
An diese und ähnliche Nervereien habe ich mich so sehr
gewöhnt, dass ich gar nicht wüsste, wie ich reagieren soll-te, wenn meine Familienmitglieder ihre Rollen nicht spie-len würden wie vorgesehen. Außerdem kann ich ihre Fehler leichter verzeihen, solange mich die bequeme Hygiene und Nahrungsversorgung noch gnädig stimmen. Hier habe ich nicht bloß ständigen Zugang zu Waschmaschine und Trock-ner, sondern sogar eine bereitwillige Waschfrau, die dunkle und helle Farben trennt und alles nach dem Waschen or-dentlich zusammenlegt. Hier sind die Vorratsschränke voll mit echtem Cap’n Crunch – nicht der Billigversion »Colo-nel Crunchies«, die ich tonnenweise beim Discounter kaufe. Hier quillt der Kühlschrank von Coke Classic über.
Aber da ich nun ein paar Tage Aprilfrische und regelmä-
ßige Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen genos-sen habe, lassen sich die Spannungen, die das umstrittenste Thema hier im Haushalt erzeugt, nicht mehr so leicht igno-rieren. Ein echtes Tabuthema, so verboten, dass niemand es je anschneidet, wie im Hause Darling üblich.
Erst als die liebende Großmutter Marin auf den Arm ge-
nommen und ans andere Ende des Gartens geschleppt hatte, brach Bethany das Schweigen.
»Was ich dich schon die ganze Zeit fragen wollte«, sagte
sie, warf ihr goldenes Haar zurück, schürzte die glänzenden Lippen zum Kussmund und weitete sie wieder zum Lächeln. Manchmal frage ich mich, ob sie eigentlich merkt, dass sie
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mit ihrer eigenen Schwester flirtet. »Hast du das Geld ge-wonnen?«
Auf diesem Umweg erkundigt sie sich danach, ob ich
immer noch mit Markus zusammen bin. Nur Bethany ist so kühn, die Frage zu stellen, die nicht gestellt werden darf. Und selbst sie wartet, bis Mom außer Hörweite ist, und klei-det ihre Neugier in eine Erkundigung nach dem Gewinn der Trennungs-Lotterie. Da ich diese (wie alle Ereignisse des letzten Jahres) nicht dokumentiert habe, werde ich die Re-geln besagten Gewinnspiels nun erläutern.
Ich war eines der wenigen glücklichen Erstsemester, die
ein sonniges, geräumiges Einzelzimmer in der Furnald Hall absahnten, dem wohl schönsten und am besten gelegenen Wohnheim auf dem Campus. 1913 gebaut und vor weniger als zehn Jahren renoviert, ist es sowohl traditionell (Granit-fassade, riesig hohe Eingangshalle mit Kristalllüster) als auch modern (Klimaanlage!). Man schaut auf einer Seite aufs Campusleben, auf der anderen Seite auf den belebten Broad-way. Furnald gilt außerdem als Party-Wohnheim, da es auf jeder Etage eine ausladende Lounge gibt, mit reichlich Nach-mittagssonne, gemütlicher Möblierung und Kabelfernsehen gratis die selbst hartnäckige Gesellschaftsverächter aus ihren Zimmern lockt.
Auf meinem Stock wohnten fünfzehn Erstsemester und
zehn Drittsemester. Es stellte sich rasch heraus, dass die meisten Studienanfänger noch in Highschool-Beziehungen steckten. Es war auch nicht schwer, die zehn Betroffenen zu erkennen, weil sie (ja, gut, eigentlich müsste ich »wir« schreiben, aber ich gebe derartiges Verhalten nur äußerst un-gern zu) ihre Sätze oft mit den Worten »Mein Freund/Mei-
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ne Freundin .« anfingen. Also zum Beispiel »Mein Freund steht auch auf Coldplay!« oder »Meine Freundin hat genau so einen Pullover!« oder »Mein Freund schläft und isst und verdaut auch!«. Da ältere Semester die Menschen, mit denen sie mehr oder weniger regelmäßig herummachen, nie und nimmer so bindend als »Freund« oder »Freundin« bezeich-nen würden, konnte sich ein derartiges Treuebekenntnis nur auf eine junge Liebe beziehen, die bereits auf den Fluren der jeweiligen Highschool erblüht war.
Die desillusionierten Drittsemester schauten voller Ver-
achtung auf uns herab. »Ihr haltet nicht mal bis zu den Herbstferien durch«, sagten sie. »Und wenn doch, dann bloß, weil ihr es uns zeigen wollt.«
Wir Mitglieder im Highschool-Club der wahren Liebe wa-
ren natürlich empört. »Wir sind anders!«, riefen wir alle. »Wir sind nicht wie die anderen!«
Megan McCafferty Dritte Wege Aus dem Englischen von Ingo Herzke Umschlag: Kathrin Steigerwald Ca. 512 Seiten Ab 14 13,6 x 21,5 cm, Klappenbroschur ISBN 978-3-551-58206-8 Ca. € 14,90 (D) / € 15,40 (A) / sFr. 27,50 Erscheint im oktober 2010 j u g e n d b u c h Die Jessica-Darling-Kultserie erste male Zweite Versuche
Megan McCafferty Dritte Wege Vierte Wahl
Suggestions for treatment Treatment Options1 Acne Severity Mild to moderate 2nd line options • Topical retinoid + BP2 • Topical antibiotic3,4 + BP • Topical antibiotic3,4 + Moderate to severe 3rd line options *Severe presentations (e.g. nodulocystic acne or acne fulminans) may require initiation of therapy with 3rd line Combined oral contraceptives Spi
Interpellation Büeler-Flawil vom 26. September 2005 (Wortlaut anschliessend) Vogelgrippe-Vorsorge für Kanton St.Gallen Schriftliche Antwort der Regierung vom 8. November 2005 Bosco Büeler-Flawil weist in seiner Interpellation vom 26. September 2005 darauf hin, dass durch die bevorstehenden Vogelzüge die Gefahr der weltweiten Verbreitung der Vogelgrippe erhöht wird und zu befürchten is