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Tagebuch von Dr. Gerd Reichenbach aus Olpe Dr. Reichenbach unterstützt nach seinem ersten Aufenthalt in St. Lukes in 2004 auch dieses Jahr wieder Dr. Julie
Kaniki und Dr. Hans Schales im St. Lukes Hospital vom 30.10. bis 20.11.2005. In Begleitung seines Patensohnes
Moritz, Medizinstudent. Zimbabwe
30.10.2005
Der erste Abend in St.Lukes. Sternenklare Nacht, die Milchstrasse leuchtet am afrikanischen Himmel. Heute Mittag treffen Moritz und ich in Bulawayo ein, in unserem Flugzeug saßen 16 Passagiere, darunter einige Großwildjäger. Abfertigung in einem Blechhangar, das große Flughafengebäude steht halbfertig unter der heißen afrikanischen Sonne, wie vor einem Jahr. Das Visum kostet 30 Dollar. Die Zolltante will wissen, was wir in Zimbabwe machen, holidays natürlich, ob wir Geschenke dabei haben, natürlich haben wir, die lässt sie sich zeigen und fragt, ob wir auch alles andere wieder mitnehmen, machen wir, und dann lässt sie uns ungeschoren durch. Dr. Hans Schales, der Chefarzt des St.Lukes Hospitals, erwartet uns und nimmt Moritz und mich freudig in Empfang. Er hat sich nicht geändert, stahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Er bringt uns zunächst zu den Marianhillern, hier sehe ich einige bekannte Gesichter, Bruder Alfons und Pater Odilo – der Gründer des St.Lukes Hospitals - der gerade 93 Jahre alt geworden ist, immer noch voller Kraft und Lebensfreude steckt und in einer Gemeinde arbeitet. Beim Tee diskutieren wir die verzweifelte Lage in Zimbabwe, vor allem die Armen hungern, da Lebensmittel viel zu teuer geworden sind. Mit Hans fahren wir durch die schöne Nachmittagssonne gen St.Lukes. Die Straßen sind leergefegt, Benzin und Diesel kaum noch erhältlich. Dieser sei oft mit Wasser gestreckt. Das Land ist verdorrt, alle warten sehnsüchtig auf Regen. Eselskarren transportieren geschnittenes Gras für die Dächer der Hütten. 2003 habe es in Zimbabwe noch über 2000 Ärzte gegeben, angeblich sind es jetzt noch 516, ich mag das nicht glauben, meint Hans. Davon sind über 50% ausländische Ärzte. Aus 300 km schicken sie uns die Schwangeren in Wehen, weil in den Krankenhäusern keine Ärzte mehr sind. Dazu passt eine Nachricht, die ich heute in einer südafrikanischen Zeitung gelesen habe: zur Müllabfuhr und zum Krankentransport werden schon Eselskarren eingesetzt. Vor 20 Jahren haben die gleichen Krankenhäuser zum Transport der Schwerkranken Flugzeuge gehabt!! In der Abenddämmerung erreichen wir St.Lukes. Als erste begrüßt uns Dr. Julie, die kongolesische Ärztin, die im vergangenen Jahr schon hier war. Dann taucht Simon auf, der neue Zivi aus dem Saarland, ausgebildeter Elektriker. Ich beziehe wieder ein Zimmer in Hans` Haus, Moritz quartiert sich bei Simon ein. Mabena, die freundliche Köchin, hat uns ein gutes Abendessen bereitet. In Hans` Küche stoßen wir mit einem mitgebrachten Mirabellenschnaps an auf unser Wiedersehen. Hans wird morgen für 2 Tage nach Harare fahren für wichtige Besorgungen. Ein kurzer Spaziergang durch die afrikanische Nacht unter dem unbeschreiblichen Sternenhimmel des Südens, die Grillen zirpen, in der Ferne Musik und Trommeln, wir sind in Afrika angekommen. 31.10.2005
Der erste Tag im Hospital. Um 7 Uhr gehe ich mit Moritz in die Assemblyhall, dort haben sich schon ca. 60 Schwestern und Pfleger zum Morgengebet versammelt. Zunächst ein Ndebelelied, eine kurze Predigt und ein Gebet, dann werden Mo und ich begrüßt. Frühstück mit Dr.Julie und Simon. Danach Visiten. Wir beginnen auf der Kinderstation: Kinder mit Pneumonien, Malaria, Knochenbrüchen, Meningitis, unklarem Fieber. In einem Raum die kleinsten und ärmsten: schwere Mangelernährung, Kwashiokor und Marasmus, kombiniert mit Aids und Tuberkulose, die Kinder oft begleitet von der Gogo (Oma), die in Lumpen gehüllt sind und kaum wissen, wovon sie die Kinder ernähren sollen. Die Kinder liegen apathisch in ihren Bettchen. Das ganze Elend dieses Landes sehen wir in diesem Raum. Nur wenige dieser Kinder werden überleben, und wenn sie es tun, dann werden sie für ihr Leben vermutlich retardiert sein, in der Schule Probleme haben und es schwer haben, sich auf die eige nen Füße zu stellen.
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Auf der Männerstation ein ähnliches Bild: viele Patienten mit Aids und Tuberkulose, Meningitis, Knochenbrüchen, Malaria. Einige Aidspatienten werden entlassen: unter Antibioticaprophylaxe, Aidsmedikamente sind nur für wenige Patienten vorhanden, Hans hat mit der antiretroviralen Therapie für einige Aidskranke begonnen. Draußen sehe ich vor einem Nebengebäude eine lange Schlange mit über 100 Menschen. Sie warten auf einen Sack Maismehl oder Porridge, der Hunger treibt sie hierher, sie haben gehört, dass im Hospital Nahrung verteilt wird, und so harren sie stundenlang unter der glühenden Sonne aus, heute 38 Grad im Schatten. Viele werden nichts bekommen. Ein kurzer Teabreak, dann geht’s in die OPD. Viele Kranke warten. Mit Moritz beziehe ich einen Ambulanzraum und wir legen mit Hilfe einer Schwester los. Fast das gleiche Bild wie auf den Stationen: Schwerkranke mit Aids und Tuberkulose, Frauen mit Blutungen und gynäkologischen Infektionen, ein Schlangenbiss, schwere Hautinfektionen, normale Schwangerschaften. Ein gutes Ultraschallgerät ist dabei eine große Hilfe. Bis in den späten Nachmittag sind wir beschäftigt, die vielen Patienten zu versorgen. Die Schwerkranken nehmen wir ins Hospital auf, alle anderen müssen sich wieder auf den langen und beschwerlichen Heimweg machen, oft in einer Eselskarre oder zu Fuß. In der Dämmerung mache ich mit Mo einen Rundgang. wir besuchen die waiting mothers, Schwangere kurz vor der Entbindung, die in einfachen Hütten hausen und sich gerade über den Feuerstellen zum Abendessen Maisbrei kochen. Sie bereiten ihre Mahlzeiten selbst, zählen zu den Glücklichen, die vom Hospital Maismehl bekommen. Die Sonne geht unter, eine schwer zu beschreibende, trotz des Elends friedliche Abendstimmung, nach wenigen Minuten umfängt uns die afrikanische Nacht. 1.11.2005
Nach 10 Stunden tiefem Schlaf wache ich ausgeruht auf. Mit Moritz um 7 Uhr in die Assembly (Morgenandacht), es wird gesungen und gebetet, ein schöne tägliche Tradition. Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir Visite auf der Kinderstation, Moritz in meinem Schlepptau. Eine Schwester stellt uns die kleinen Patienten vor. Wir hören Lungen ab, tasten Bäuche, schauen unter Verbände, ich mache kurze Notizen in die Krankenblätter. Mo macht Notizen zu medizinischen Problemen, die wir klären müssen. In einem Bett finden wir ein 4-jähriges Mädchen vor, das sich vor 5 Tagen den Oberschenkel gebrochen hat. Das gebrochene Bein ist mit einem Stück Pappe und Bindfaden notdürftig stabilisiert. Ängstlich schaut das tapfere Mä dchen uns an, wie viel Schmerzen es in den letzten Tagen ertragen haben muss. Unter Schmerzmitteln bekommt es einen Streckverband angelegt. Im nächsten Zimmer sitzt eine blinde junge Frau auf dem Boden mit ihrem unterernährten Kind. Ihre Augäpfel sind völlig vernarbt. Seit wann ist sie blind, möchte ich wissen. Seit ihrem 7. Lebensjahr, damals habe sie eine schwere Hautinfektion gehabt, die auf die Augen übergegriffen sei. Liebevoll versorgt sie ihr Kind. Den Vater des Kindes kennt sie nicht. Sie wird es sc hwer haben, ihr Kind am Leben zu halten. Daneben finden wir eine aidskranke junge Mutter mit ihren Zwillingen. Sie sind 5 Monate alt und wiegen 3,0 kg. Sie sind in einem erbärmlichen Zustand, eins der beiden ist dehydriert und bricht alles aus. Es bekommt einen Tropf angelegt. Auf der Männerstation sehen wir einige neue Patienten, überwiegend mit Tuberkulose und Aids. Bei einem jungen Aidskranken mache ich eine Rückenmarkspunktion, der Liquor wird auf Cryptococcen untersucht, eine Pilzinfektion und häufige Komplikation der Aidskrankheit. Ein junger etwa 10-jähriger Bursche hatte sich vor einigen Monaten den rechten Arm verbrannt. Der rechte Ellebogen ist durch die Narben versteift, massiv geschwollen, die Narben an einigen Stellen aufgeplatzt, daraus fließt Eiter. Er hat starke Schmerzen. Das Röntgenbild bestätigt unsere Vermutung: im Ellebogen steckt eine tiefe Infektion, der Knochen ist zum Teil schon verschwunden. Wir werden ihn täglich verbinden und ihm Antibiotica geben. Selbst wenn die Knochenentzündung abheilen sollte - was einige Monate dauern kann - wird sein Ellebogen steif bleiben. Solche Komplikationen von Verbrennungen und schlecht heilenden Wunden sind häufig in Afrika. Heute ist die Schlange vor unserem Lagerraum noch länger als gestern. Es geht das Gerücht, dass unsere Vorräte an Porridge und Weizenmehl bald aufgebraucht sind. In der OPD (outpatient department –
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Räume für die ambulanten Patienten) warten viele Menschen. Sie werden zunächst von Schwestern befragt und untersucht, nur die schwerer Erkrankten werden vom Doktor gesehen. Mit Hilfe der Schwestern und einigen Worten Ndebele, die nach und nach wieder im meinem Kopf zum Vorschein kommen, erfragen wir die Beschwerden, untersuchen und entscheiden, ob der Patient mit Medikamenten aus unserer Apotheke wieder nach Hause gehen kann oder ins Hospital aufgenommen wird. Die Vorgeschichten der Patienten sind oft sehr ähnlich: seit einigen Wochen oder Monaten Gewichtsverlust, Schwitzen, Fieber, Husten mit Auswurf, Durchfälle, Appetitmangel, diese Symptome sind sehr verdächtig auf Aids oder Tuberkulose. Häufig kommen beide Erkrankungen zusammen vor, durch die geschwächte Immunabwehr sind die Menschen für Tuberkulose und andere Infektionen empfänglich. Ein Mann – Mitte 20 – kam gestern mit all diesen Beschwerden in die Ambulanz, wir wollten ihn aufnehmen, doch er bat darum, nach Hause zu gehen und seine 4 kleinen Kinder zu versorgen, da seine Frau vor einigen Monaten verstorben sei (vermutlich an Aids) und er allein für sie verantwortlich ist. Wir erklärten ihm, wie wichtig seine Behandlung sei und er versprach, heute wiederzukommen, nachdem er für die Kinder gesorgt hat. Er ist nicht gekommen, vielleicht weil er niemanden für seine Kinder hat. Möglicherweise wird er seine Kinder noch mit Tuberkulose infizieren, bevor auch er stirbt und seine Kinder für sich selbst sorgen müssen wie unzählige andere Aidswaisen in Afrika. Wir hoffen, dass er noch kommt. In der Abenddämmerung mache ich meinen ersten Lauf entlang der Buschstraße. Über die Staubpiste holpern Eselskarren. Frauen und Mädchen mit Holzbündeln, Wassereimern, Taschen und Säcken auf dem Kopf streben ihren Hütten zu. Alle grüßen mich freundlich. Manche schauen mich wie ein Wesen von einem anderen Stern an, joggende Weiße sind in dieser Gegend eher selt en anzutreffen. Der Himmel ist seit heute morgen etwas bedeckt, der lang ersehnte Regen noch nicht in Sicht. Es war nicht ganz so heiß, etwa 35 Grad. 2.11.2005
Heute morgen ist es klar und sehr warm, Mittags klettert das Thermometer auf fast 40 Grad, einige Wolken ziehen auf und verheißen den sehnsüchtig erwarteten Regen. Morgenvisite auf der Kinderstation. Das Mädchen mit dem gebrochenen Oberschenkel hat endlich einen Streckverband und sieht ganz zufrieden aus. Zwei Kinder können wir nach Hause schicken, nachdem sie sich von einer Lungenentzündung erholt haben. Den mangelernährten Kinder geht es weiterhin schlecht, besonders die Zwillinge machen mir Sorgen, sie haben ständig Durchfall und erbrechen, vermutlich Folge einer Aidsinfektion. Von der blinden Mutter erfahre ich, dass sie noch 2 Kinder zu Hause hat, die von Verwandten versorgt werden. Gibt es auch einen Mann? He ran away, antwortet die Schwester. Einem Mädchen, das wir vor 2 Tagen mit einer schweren Lungenentzündung aufgenommen haben, geht es deutlich besser. Sie wird von ihrem Papa begleitet, die Mutter verstarb an Aids. Der Vater fragt, ob er das Kind mit nach Hause nehmen kann, da er noch andere Kinder zu versorgen hat. Ich bitte ihn, noch ein bis zwei Tage zu warten, er willigt ein. Der junge Mann, bei dem ich gestern eine Liquorpunktion gemacht habe, ist heute Nacht an den Folgen von Aids verstorben. Sein Bettnachbar verstarb ebenfalls, er war aus Harare zu uns zur Behandlung gekommen, hatte früher im Kongo als Söldner gekämpft und sich wohl dort seine Aidserkrankung geholt. Seit einigen Monaten behandelt Hans ca. 70 Patienten mit Aids-Medikamenten. 18 von ihnen sind schon verstorben, andere erholen sich sehr gut unter der Therapie. Wir dürfen nicht zu spät anfangen, sagt Hans. Die Regierung stellt ihm Medikamente für 30 Patienten für 3 Monate zur Verfügung, dann muss er sie neu beantragen. Die Aidsmedikament der anderen Patienten werden von Spendern aus Deutschland finanziert. Die Therapiekosten pro Patient betragen rund 25 Euro im Monat. Die Medikamente stammen aus Indien. Sie sind deutlich billiger als die in Europa oder den USA produzierten. Dies ist erst ein Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin ein Anfang. Der bürokratische und logistische Aufwand für diese Patienten ist groß. Es muß sichergestellt werde, dass sie täglich und lebenslang ihre Medikamente einnehmen und sich regelmäßig kontrollieren lassen. Gestern hat sich eine unserer Schwestern versehentlich mit der Nadel eines Aidspatienten gestochen, mit der sie vorher eine intramus kuläre Spritze
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gegeben hatte. Obwohl die Ansteckungsgefahr niedrig ist, wird sie für einige Wochen Aidsmedikamente nehmen, als Vorbeugung. In der Ambulanz ist es heute so heiß, dass ich die Patienten nur bedauern konnte, die stundenlang geduldig in der brütenden Hitze warten, bis sie von uns untersucht werden können. Viele von ihnen haben einen langen Weg, manchmal eine Tagesreise hinter sich. Die Geduld und Leidensfähigkeit dieser Menschen scheint unbegrenzt zu sein. Wir sehen einen Mann mit einer mehrere Zentimeter dicken Narbenplatte, die seine ganze Brust-, Hals- und Nackenregion wie ein Panzer einengt. Er kann seinen Kopf nicht bewegen. He comes from far away, sagt die Schwester. Vor einem Jahr hatte er sich mit Paraffin verbrannt. Jetzt hatte sich unter der Narbe ein Abszess gebildet, den ich punktiere. Mehr können wir nicht für ihn tun, lasse ich die Schwester übersetzen, eine Operation wäre unter diesen Bedingungen viel zu riskant. Er hört sich unsere Erklärungen an und bedankt sich für unsere „Hilf e“. Die Warteschlange vor unserem Lagerraum ist verschwunden, da die letzten Mehlsäcke verteilt worden sind. Sie waren eine Spende aus Deutschland, 30 Tonnen insgesamt, von German Help, einer deutschen NGO (Nichtregierungsorganisation). Mittags kommt der Vertreter des Bischofs von Bulawayo zu Besuch, schließlich sind wir ein Missionshospital. Nach einem guten Mittagsessen, einem Rundgang durchs Krankenhaus und einigen Gesprächen reist er wieder von dannen. 3.11.2005
Kurz nach Sonnenaufgang ein Morgenlauf mit Max, einem waschechten Nürnberger und Neffen des Pater Odilo. Er hat in Deutschland viele Kinder- und Sportsachen gesammelt, unter anderem eine fertige Ausrüstung für eine Jungenfußballmannschaft. Jetzt verteilt er die Sachen bei uns und in umliegenden Schulen und Missionsstationen. Die Kinder werden sich über die tollen Sachen freuen. Das Thermometer zeigt 40 Grad, es geht ein heißer Wind, dunkle Wolken bauen sich auf, in der Ferne hören wir Gewittergrollen, doch es regnet nicht. Ein Kind mit einer Meningitis (Hirnhautentzündung) macht uns Sorgen. Er heißt Vusumuzi, ist 11 Monate alt und hat zusätzlich Probleme mit der Atmung entwickelt, vermutlich eine Kehlkopfentzündung. Durch eine hohe Dosis Cortison hat er sich heute abend gebessert und schläft jetzt ruhig. Seine Mutter weicht nicht von seiner Seite und stillt ihn sooft er Hunger hat. Die unterernährten Kinder machen kaum Fortschritte, einige haben Fieber und erbrechen, manches Leben hängt an einem seidenen Faden. In der OPD das gleiche Bild: Patienten mit Aids und Tuberkulose in fortgeschrittenen Stadien, manche nehmen wir auf, andere müssen wir wieder nach Hause schicken. Einem jungen Mann mit einer Axtverletzung muß ich einen Zeh amputieren. Nachmittags ein Kaiserschnitt, Moritz assistiert Dr. Juli e. Mo hat sich sehr gut hier eingefunden, arbeitet fleißig mit und ist ob seiner lockeren und freundlichen Art beliebt. Da er vor einigen Jahren in Marianhill in Südafrika einen Kinderspielplatz gebaut hat, kann er etwas Zulu sprechen. Er will auch hier an der Kinderstation etwas bauen, hoffentlich bekommen wir das Material zusammen. Heute abend habe ich meine erste Fahrradtour in Afrika unternommen, mit Hans Schales und Max auf der alten, holprigen Landstraße Richtung Victoria Falls. Ein tolles Erlebnis, 2 5 km in sportlichem Tempo, vorbei an schönen Kraals durch die Buschlandschaft. Heiß wars auch, noch 35 Grad, so langsam habe ich mich an die afrikanische Hitze gewöhnt. Umso mehr bewundere ich Hans Schales, mit 67 Jahren und ist unser Tempo locker mitgefahren. Nach dem Abendessen (Spagetti mit Sauce und Salat) schauen wir uns Bilder vom geplanten Infusionsprojekt an. Nach einem Vorbild aus Tanzania werden bald hier in St. Lukes – als erstes Krankenhaus in Zimbabwe - selber Infusionslösungen hergestellt. Mit Moritz habe ich mir heute die Räumlichkeiten angesehen, sie sind fast fertig. Die nötigen Apparate und Materialien sind da. Bald kanns losgehen mit diesem tollen Projekt, man will auch andere Hospitäler beliefern und damit Geld verdienen, das unserem Krankenhaus zugute kommt. Bei meiner Abendrunde ist es ruhig im Hospital. Der sternenklare Himmel leuchtet über uns.
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4.11.2005
Heute abend geschieht das „Wunder“: es ziehen sich dunkle Gewitterwolken zusammen und um kurz nach 6 Uhr öffnen sich die Schleusen des Himmels zu einem wahren Gewitterregen. Wir sitzen auf der Veranda vor unserer Küche und schauen fasziniert in den von Blitzen erleuchteten Abendhimmel. Nach der Hitze der letzten Tage kühlt es etwas ab. Dafür gibt es einen Stromausfall, wir sitzen im Dunkeln. Vusumuzi geht es wieder schlechter, er hat Atemprobleme. Heute kommt der Vater und will Frau und Kind mitnehmen zu den traditionellen Heilern. Diese entzünden oft ein Feuer, verbrennen darin Heilkräuter und lassen die Kinder den Rauch einatmen. Dadurch werden die zarten Lungenwege noch mehr geschädigt und die Kinder ersticken nicht selten. Ausführlich spreche ich mit den Eltern über die schwere Erkrankung des Kindes und unsere Behandlung. Sage, dass wir darin die einzige Chance sehen, ihr Kind zu retten. Er vertraut uns und willigt ein, das Kind noch einige Tage bei uns zu lassen. Den ganzen Tag über hat das Kind Luftnot, gierig saugt es an der Brust seiner Mutter. Es will leben. Mittags schaue ich mir mit Moritz das Holzlager an. Es liegt in einem der Werkstattgebäude an der anderen Seite der Straße. Hier finden wir die Bretter, die wir für den Bau des Spielplatzes vor der Kinderstation brauchen. Draußen liegen drei Rollstühle achtlos im Sand. Ihr einziger Mangel: die Reifen sind platt. Wir haben sie aus Deutschland, sagt der Vorarbeiter, aber es gibt keine Schläuche in Zimbabwe. So geht es wohl mit vielen Dingen, die nach Afrika gebracht werden. Nach dem Mittagessen fahren wir zum Fußballplatz, er liegt einige Kilometer außerhalb von St. Lukes. Dort warten etwa 200 Kinder der Grundschule auf uns. Die Jungenfußball-mannschaft wird neu eingekleidet, mit schicken Trikots von Adidas. Max hat sie mitgebracht. Stolz stellen sich die Jungs zum Mannschaftsfoto auf. Danach wird Fußball gespielt, natürlich barfuß. Viele der Kinder sind enttäuscht, dass sie nichts abbekommen. In der OPD sitzt eine Mutter mit ihrer 3- jährigen Tochter. Das Mädchen sei von ihrem 17-jährigen Vetter vergewaltigt worden. Hans untersucht es, wir sehen zwar keine äußeren Verletzungen, doch hält Hans eine Vergewaltigung für möglich. Dies teilt er der Mutter mit. Sie muß nun entscheiden, ob sie ihren Sohn bei der Polizei anzeigt. Dann schauen Hans und ich auf der überfüllten Frauenstation und der Geburtshilfe nach Problemen. Jedes Jahr werden hier 2000 Kinder geboren, die Sectiorate liegt bei 8%. diesen Zahlen kann ein deutsches Krankenhaus nur träumen. Nach dem Abendessen genehmigen wir uns einen Weltenbummler aus Olpe. Er ist nicht nur einmal um die Welt gereist, sondern hat es auch heil nach Zimbabwe geschafft. Wir stoßen auf den Regen an. Auf der Nachtrunde durchs Hospital finde ich das Vusumuzi friedlich schlafend neben seiner Mutter, die das Nachtlager auf dem Fußboden gerichtet hat. So machen es alle Mütter hier, damit sie nachts neben ihren Kindern schlafen können. Es hat aufgehört zu regnen, die Luft ist angenehm abgekühlt. 5.11.2005
Der Morgen ist klar und wolkenlos, Mittags wird es wieder heiß, nachmittags ziehen Gewitterwolken auf, es donnert und blitzt um uns herum, der Regen bleibt aus. Seit gestern sind wir ohne Stromversorgung, irgendwo sind 2 Masten umgefallen, die sollen bis morgen repariert werden. Tagsüber und abends läuft für einige Stunden unser Generator und stellt die Notversorgung sicher. Es ist Samstag, wir machen Visiten auf den Stationen, einige Patienten werden neu aufgenommen. Vusumuzi hatte eine ruhige Nacht verbracht, über Tag werden seine Atemprobleme wieder schlimmer, wir geben weiter hohe Dosen Cortison, worunter er sich immer wieder bessert. Die Mutter hält tapfer durch. Auf der Kinderstation leben 2 Mädchen, die einjährige Gululethu und ihre vierjährige Schwester Siphethemi. Ihre Mutter liegt seit Wochen in unserer Leichenhalle, sie ist an Aids verstorben wie ihr Vater. Beide Mädchen fühlen sich sichtlich wohl hier, sie teilen ein Bettchen. Siphethemi rennt wie ein Wirbelwind den ganzen Tag herum und strahlt alle an, sie hat gestern von Max neue Turnschuhe und ein Trikot bekommen, Gululethu lernt gerade das Laufen. Die Krankenschwestern kümmern sich rührend um die beiden. Was mit ihnen in Zukunft geschieht, weiß niemand. Wie diesen beiden geht es zahllosen
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Aidswaisen hier, für den Augenblick haben sie sicher ein besseres Schicksal als die meisten von ihnen. Nicht selten müssen 14 bis 16- jährige Kinder die Funktion des Familienoberhauptes übernehmen und ihre jüngeren Geschwister versorgen. Am späten Nachmittag gibt es Probleme auf der Entbindungsstation: ein Baby holt Hans mit der Saugglocke, anschließend machen wir noch einen Kaiserschnitt. Mutter und Kind sind wohlauf. Zwischendurch nähe ich einen Jungen mit einer stark blutenden Kopfplatzwunde. Dabei fällt das Licht aus, zum Glück hat Moritz seine Taschenlampe dabei. Wir haben abends Durst auf ein Bier und fahren zum nahen Dorfflecken. Alles ist stockdunkel. In einer Kneipe sehen wir Kerzenlicht. Die Frau am Tresen kann uns nur warmes Bier anbieten, da seit 2 Tagen der Strom ausgefallen ist. Wir kaufen es und stellen es in unseren Kühlschrank. Nach einer Stunde haben sie die richtige Temperatur und sind trinkbar. Nachts werde ich einmal ins Hospital gerufen zu einem Mädchen mit Atemproblemen. Das Hospital liegt im Dunklen, unser Generator ruht sich aus, nur einige Kerzen erhellen die Plätze der Nachtschwestern. Trotz Krankheit und Elend um uns herum eine Atmosphäre der Stille und des Friedens. Der Sternenhimmel leuchtet besonders hell. 6.11.2005
Der Sonntagmorgen beginnt mit einem einstündigen Lauf durch den Busch. Auf dem Weg mache ich Halt in einem Dorf, das ich schon im letzten Jahr besucht habe. Vor einer Hütte sitzen zwei junge Männer, sie sind von vielen Kindern umgeben. Ich erinnere mich genau an diesen Kraal, hier traf ich damals auf einen alten Mann und einige Kinder. Ich begrüße sie auf Zulu, einer der Männer kann etwas Englisch. Wo sind die Frauen, möchte ich wissen. Sie sind zum Wasserholen. Und der alte Mann? Er ist verstorben. Ob es allen Kindern gut gehe? Ja, bis auf seinen Schwester, sie liege in der Hütte und sei krank. Ich möchte sie sehen, werde in die Hütte geführt, in deren Mitte ein kleines Holzfeuer brennt. Am Feuer sitzt ein etwa 14 - jähriges völlig abgemagertes Mädchen, das ich im letzten Jahr mit dem alten Mann gesehen hatte. Es ist offensichtlich hirngeschädigt und stirbt langsam vor sich hin. Sie isst zu wenig, sagt der Bruder. Ich kann nur den Rat geben, das Mädchen richtig zu füttern, glaube aber, daß es die nächsten Monate nicht überleben wird. Wovon sie leben, möchte ich wissen. Er habe Arbeit in Südafrika gehabt, dann habe man ihn geschnappt und nach Zimbabwe abgeschoben. Er war wie so viele verzweifelte Zimbabwer illegal über die Grenze gegangen auf der Suche nach Arbeit in Südafrika. Jetzt werde er mit seinem Bruder das Feld bestellen. Auf dem Rückweg schließen sich drei Kinder meinem Lauf an, sie haben viel Spaß dabei. Im Hospital wartet der Vater von Vusumuzi auf mich und verlangt, sein Kind zu den traditionellen Heilern bringen zu können. Er ist fest entschlossen, seine Frau auch und so fruchten unsere Argumente nicht mehr. Zum Abschied sage ich ihm, dass ich seine Entscheidung akzeptiere, obwohl ich sie falsch fände, und biete ihm an, dass er seinen Sohn jederzeit zurückbringen kann. Ich zweifle, ob wir ihn jemals wieder sehen, der Junge wird wohl im Busch sterben. Jetzt wird der witchdoctor herausfinden, welcher böse Zauber über dem Kind liegt und wer dafür verantwortlich ist, sagt Hans. Nachmittags nehmen wir einen tief bewusstlosen jungen Mann auf. Er sei gestern aus Südafrika gekommen, mehr können wir nicht herausbekommen. So geht es oft, sagt Hans, sie infizieren sich in Südafrika mit Aids, werden krank und kommen dann nach Hause zum Sterben. Da er klinische Zeichen einer Hirnhautentzündung hat, behandeln wir ihn mit Antibiotica. Obwohl es Sonntag ist, sind wir fast den ganzen Tag im Hospital beschäftigt und sehen vi ele Patienten. Vor Sonnenuntergang machen Hans, Moritz und ich eine Fahrradtour. Dicke Gewitterwolken türmen sich am Horizont auf. Seit 3 Tagen sind wir ohne Stromversorgung, unser Generator läuft nur einige Stunden und liefert Notstrom. Heute abend wird er angehalten, da kein Motoröl mehr da ist. Was tun wir, wenn heute nacht ein Kaiserschnitt nötig ist? Mit Hans fahre ich zum workshop, wir schicken einen der Arbeiter los zum nächsten Ort, um Öl zu kaufen. Abends sitzen wir wieder bei Kerzenschein. Das Kra nkenhaus ist stockdunkel, nur die Plätze der Nachtschwestern sind mit Kerzen erleuchtet. Dem bewusstlosen jungen Mann geht es unverändert schlecht. Nachts ein Tropengewitter, es bringt etwas Abkühlung. Vor 2 Tagen haben wir mit der Malariaprophylaxe begonnen.
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7.11.2005
Heute morgen ist es frisch, 22 Grad. In der Assembly wird an Mr. Nare gedacht, ein 42 -jähriger Krankenpfleger und Geburtshelfer- männliche Hebammen sind hier nicht selten. Er ist vor 3 Tagen an Aids verstorben, obwohl er seit einigen Monaten Aidsmedikamente von Hans erhielt. Alle sind sehr traurig, Mr. Nare war ein langjähriger, engagierter und beliebter Mitarbeiter. Der Tod macht auch vor dem Krankenhauspersonal nicht Halt. Auf der Kinderstation sind einige unterernährte Kinder dazugekommen. Wir werden sie nach einem speziellen Schema ernähren, manche von ihnen werden immer wieder kommen. Das Kind der blinden Frau hat gute Fortschritte gemacht, so dass die beiden nach Hause können. Wie wird sie es schaffen, ihr Kind in ihrer Hütte zu versorgen und zu ernähren? Die beiden Zwillingsmädchen- sie heißen Previous und Precious- machen kleine Fortschritte und nehmen langsam an Gewicht zu. Sie sind 5 Monate alt und wiegen 3,1 bzw. 3,2 kg. Ihre aidskranke Mutter ist zu geschwächt und nach Hause gegang en, sie werden nun von ihrer 14-jährigen Schwester versorgt, die das ganz liebevoll macht. Sie wird sich auch um die Kleinen kümmern müssen, wenn ihre Mutter- und das ist absehbar- an Aids verstirbt, wie vor ihr der Vater. Ein 10-jähriger Junge kommt mit einem stark angeschwollenen Ellebogen. Er ist gestern vom Eselskarren gefallen und hat sich eine Fraktur zugezogen, die Knochen haben sich erheblich verschoben. Unter Narkose richten Hans und ich den Bruch wieder ein. Dann behandeln wir einen jungen Mann mit einer Oberschenkelfraktur. In Deutschland würde er sofort operiert werden und könnte bald wieder laufen, in Afrika wird meist das Bein wochenlang auf einer Schiene gelagert, damit die Knochenstücke langsam verheilen können. Dazu bohre ich einen Nagel quer durch den Unterschenkel, daran werden Gewichte gehängt, um die Bruchstücke in die richtige Richtung zu ziehen, eine Methode, die vor 40 Jahren auch in Deutschland verwandt wurde. Da unser Handbohrer nicht funktioniert, nehme ich unsere elektrische Bohrmaschine von Bosch. Für den nötigen Strom wird der Generator kurz angeworfen. Dem jungen bewusstlosen Mann geht es nicht besser. Er liegt im tiefen Koma. Nach getaner Arbeit eine Fahrradtour durch den Busch mit Hans, wir kommen richtig gut in Form. Heute ist der 4. Tag ohne zentrale Stromversorgung, die Nacht werden wir wieder im Kerzenschein verbringen. 8.11.2005
Bei meinem Morgenlauf herrscht eine angenehme Kühle, 22 Grad. Zwei afrikanische Jungs laufen mit, es macht ihnen sichtlich Spaß. Mir auch. Nach der traditionellen Assembly verabschiedet sich die langjährige Leiterin der Hebammenschule. Ein großer Verlust für St.Lukes. Einer ihrer Nachfolger sollte Mr. Nare werden, er ist tot. Morgenvisite auf Kinderstation. Previous und Precious geht es besser, ihre 14-jährige Schwester sorgt für sie. Heute soll die Mutter unserer beiden Aidswaisen beerdigt werden. Sie ist schon im Mai verstorben und niemand hat sich gemeldet, ihre Leiche abzuholen. Zum Glück wissen ihre beiden Mädchen nichts davon, sie spielen unbekümmert auf der Kinderstation. Dem bewusstlosen jungen Mann geht es unverändert schlecht, ich mache eine Lumbalpunktion bei ihm. Der Liquor ist klar, morgen wird er auf Cryptococcen untersucht. Mit Moritz als Assistent operiere ich einem jungen Mädchen ein großes gutartiges Geschwulst hinter dem Ohr heraus. Mittags fahren Moritz und ich mit Mr. Dube, einem der fähigen Arbeiter von St.Lukes, zu einem nahegelegenen Sägewerk. Wir suchen Holzbalken für unsere geplante Schaukel für die Kinderstation. Im ersten Sägewerk werden wir nicht fündig, fahren einige Kilometer tiefer in den Busch zum nächsten. Hier liegen unzählige Teakholzbäume auf Stapeln. Wir kaufen dicke Teakholzbalken für 10 Euro, ein ganzer Stamm kostet 40-50 Euro. Da würde sich mancher deutsche Schreiner drüber freuen. Da es auch hier keinen Strom gibt, müssen wir warten, bis das Holz geschnitten werden kann. Heute abend verstirbt der junge Mann, ohne aus seinem Koma erwacht zu sein. Ich spreche seinem Großvater unser Mitgefühl aus. Er bedankt sich. Er habe gesehen, dass wir alles für ihn getan haben. Ob sein Enkel eine Familie habe? Eine Frau und 2 Kinder, antwortet der Alte, sie leben in Südafrika. Dunkle Wolken am Himmel, aber kein Regen. Heute ist die 5. Nacht ohne Strom.
Zimbabwe Tagebuch Dr. Gerd Reichenbach / 2005 Seite 8 von 16
9.11.2005
Zimbabwe Community Health Intervention Research Project. Unter diesem Namen verbirgt sich eine landesweite Untersuchung der Bevölkerung auf Geschlechtskrankheiten. Im Oktober 2004 wurden in unserem Distrikt nach dem Zufallsprinzip 110 Menschen zwischen 18 und 30 Jahren untersucht, 110 Männer und 75 Frauen. 53,3% der Frauen waren HIV-positiv, 24,2% der Männer, im Durchschnitt 36,2%. Damit hat unser Distrikt die zweithöchste Aidsrate in Zimbabwe. Umso wichtiger ist es, sagt Hans, dass wir hier eine gute Aidstherapie aufbauen. Heute morgen auf der Kinderstation bin ich schockiert. Ich hatte ohne einen konkreten Verdacht bei einigen Müttern und ihren Kindern einen HIV-Test veranlasst. Hierzu wird ein Vorgespräch der Patienten mit einer speziell geschulten Schwester geführt, selbstverständlich kann der Test auch abgelehnt werden. Jedenfalls hatten die Mütter eingewilligt und sind alle HIV-positiv, auch ihre Kinder. Sie werden dann registriert und mit einem Antibiotikum (Cotrimoxazole) versorgt, das sie täglich einnehmen müssen, um Begleitinfektionen zu verhindern. Später können sie eventuell mit Aidsmedikamenten behandelt werden. Das liegt noch in weiter Ferne, bisher sind die sog. antiretroviralen Medikamente nur für wenige Patienten verfügbar. Ein Lichtblick auf der Kinderstation: Precious und Previous machen Fortschritte, heute wiegen sie jede 3,4 kg und blicken interessiert in ihre Umgebung. Noch ein Lichtblick: der Strom ist wieder da. Jetzt fließt wieder Wasser aus dem Hahn, da die Pumpe wieder läuft. St.Lukes hat eine eigene Quelle, 122 Meter tief, das Wasser ist sauber und schmeckt wunderbar. 10.11.2005
Der Gewitterregen der letzten Nacht hat angenehm kühle Luft gebracht, 25 Grad heute morgen, mittags 30 Grad. Mehrere neue Kinder und ihre Mütter bevölkern die Kinderstation, mit hochfieberhaften Erkrankungen, zumeist Lungenentzündungen, Malaria oder Aids. Einem schwer unterernährten Kind geht es immer schlechter, es erbricht und hat Durchfälle, dazu eine Lungenentzündung. Es heißt Wisdom (Weisheit), ist 9 Monate alt und wiegt 3,9 Kg. Heute abend verstirbt Wisdom in den Armen seiner Mutter, die HIV-positiv ist, wahrscheinlich hatte er auch Aids. Nach einem Kaiserschnitt assistiere ich Hans bei einer Gebärmutteroperation. Die Operation verläuft ohne Probleme, Hans ist ein exzellenter Gynäkologe und Geburtshelfer. Nach der OP sagt er zu mir: heute ist ein guter Tag für St.Lukes. Misereor hat uns das Aidsprojekt genehmigt. Für drei Jahre. Dann müssen wir selbst sehen, wie wir zurechtkommen. Wenn Lücken entstehen, hilft uns das Afrikaprojekt. Bald können wir unsere Aidsambulanz ausbauen und viel mehr Patienten behandeln, hoffentlich über 250. Wir brauchen einen Computer, müssen alle Patienten und ihre Behandlung genau erfassen. Jetzt können wir endlich richtig anfangen. Ein engagierter Arzt und Glücksfall für die ganze Region. Zum Mittagessen sitzen wir draußen unter einem Strohdach in einer nach allen Seiten offenen Hütte. So können wir den Maurern zusehen, die nebenan das neue Verwaltungshaus errichten. Baubeginn war vo r einem Jahr. Jetzt stehen die Grundmauern. Immer wieder fehlt das Material. Zwischendurch war der Gesundheitsminister hier und wollte es einweihen, er musste unverrichteter Dinge von dannen ziehen. Der älteste Maurer heißt Ezra und ist 78 Jahre alt, er hat lange Jahre in Südafrika gearbeitet. Das ist ein guter Mann, sagt Hans, er streichelt das Mauerwerk liebevoll, bevor er anfängt. Letzte Woche kam ich mit Edgar ins Gespräch, während seiner Mittagspause saß er im Schatten eines Baumes. Lächelnd sagt er mir: das dauert noch ein Jahr, bis wir fertig sind. Nie kriegen wir Material. Forget black businessmen. They only fill their pockets and stomachs. (Vergiss die schwarzen Geschäftsleute. Sie füllen nur ihre Taschen und Bäuche.) Dabei schüttet er etwas Tabak in seine alten Arbeiterhände und dreht sich mit Zeitungspapier eine Zigarette. Ein junger Arbeiter kommt hinzu und bringt ein Stück brennendes Holz, damit er seine Zigarette anzünden kann. Vor 2 Tagen habe ich Ezra meine Joggingschuhe geschenkt. (Ein Paar habe ich noch ). Er war glücklich. Jetzt kann ich sogar tanzen,
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strahlt er mich an. Wenn wir uns sehen, nimmt er seinen roten Sicherheitshelm ab, winkt mir zu und hüpft von einem Bein aufs andere. Heute nimmt Moritz` Projekt „Neue Schaukel vor der Kinderstation“ Gestalt an. Ein Teil einer Hecke wird entfernt, der Platz begradigt. Vier Löcher werden ausgehoben, in denen die Schaukel verankert werden soll. Da der Strom wieder da ist, kann auch das Sägewerk unsere Pfosten zurechtschneiden. Hoffen wir. Vielleicht können wir sie morgen schon aufstellen. Mittags wird ein Mann mit einem Schlangenbiss gebracht. Vor 2 Tagen wurde er von einer Puffotter in den rechten Unterschenkel gebissen. Sein rechtes Bein ist angeschwollen. Um die Bißstelle und am Oberschenkel haben die traditionellen Heiler viele Ritze in die Haut gemacht. Dadurch ist die Infektionsgefahr besonders hoch. Wir geben ihm Schmerzmittel und ein Antibioticum und warten ab. In der OPD macht Moritz unter meiner Aufsicht seine erste Wundversorgung, er näht eine Kopfplatzwunde bei einem alten Mann, der überfallen wurde. Auf der Frauenstation liegt eine Schwangere nach einem Verkehrsunfall. Sie hat einen gebrochenen Oberschenkel und liegt im Streckverband. Wir müssen den Nagel entfernen, sagt Hans, so kann sie nicht entbinden. Moritz und ich übernehmen das. Wir holen unsere Bohrmaschine von Bosch, desinfizieren den Nagel, der vor einigen Wochen quer durch den Knochen gebohrt wurde. Daran hängen einige Kg Gewicht um die Knochenenden in die richtige Position zu bringen, damit der Bruch verheilen kann. Vorsichtig ziehen wir den Nagel heraus. Die junge Schwangere ist glücklich, doch ist der Bruch noch lange nicht fest verheilt. Möglich, dass er unter der Geburt erneut bricht. Beim Abendessen werden wir von fliegenden Ameisen umschwirrt. Die Katze sitzt am Boden und macht Jagd auf sie. Offensichtlich eine Delikatesse. Nachmittags türmen sich wieder Regenwolken auf, heute Abend regnet es ergiebig. Die Zeit der Dürre ist vorbei. Auf meiner Nachtrunde sehe ich den Mann mit dem Schlangenbiss mit starken Schmerzen. Sein Bein ist stark angeschwollen, seinen Fuß kann er nicht fühlen, die Durchblutung ist aber in Ordnung. Ein starkes Schmerzmittel soll die Beschwerden lindern. Ich habe schon drei Menschen hier an Schlangenbissen sterben sehen, sagt Hans. Hoffen wir, dass es diesmal gut geht. Wir haben Schlangenserum im Hospital, das jedoch - wegen der Fremdeiweiße - viele Nebenwirkungen hat. 11.11.2005 Morgens um 7 Uhr Singen in der Assembly. Das werde ich in Deutschland vermissen. Mitlerweile kennen Moritz und ich einige Lieder und können sie mitsingen. Danach ein Besuch bei unserem Schlangenmann: sein Bein ist etwas abgeschwollen, er hat eine ruhige Nacht verbracht. Dann zum Frühstück. Ausgedehnte Visiten auf Kinder – und Männerstation. Wir entlassen einige Patienten, um freie Betten für das Wochenende zu schaffen. Viele Männer haben die Nacht auf dem Boden verbracht. Vor der Kinderstation sehe ich die Mutter von Wisdom. Ich spreche ihr unser Mitgefühl aus und frage sie, ob sie sich auf Aids testen lassen will. Sie wolle zunächst zu ihrer Familie und von der Katastrophe berichten. Gut, sage ich, sie kann es sich noch überlegen. Zwei Stunden später sitzt sie in der Ambulanz mit dem Testergebnis: sie ist HIV-positiv, wie zu erwarten. So ist auch Wisdom an Aids verstorben. Ich bewundere den Mut dieser Frau, die nun mit zwei schlechten Nachrichten nach Hause zurückkehrt. Vielleicht kann sie ihren Mann überzeugen, sich auf Aids testen zu lassen, vielleicht wird sie verstoßen. Jedenfalls hat sie für sich eine Entscheidung gefällt. Kurz darauf betritt ein Mädchen den Raum und sagt, sie habe Blutungen und sei schwanger. Wie alt bist Du? - 15 Jahre. Ich untersuche sie, auch mit Ultraschall, und kann keine Schwangerscha ft feststellen. Ob sie denn schwanger werden wolle? – Ja. Warum? frage ich. Du bist noch zu jung. – Sie sei seit 4 Monaten verheiratet. Wie alt ist Dein Mann? - 31 Jahre. Haben Deine Eltern in die Heirat zugestimmt? – Ja. Die Mutter wartet draußen, wir holen sie herein. Sie bestätigt die Geschichte. Ihre Tochter habe die Schule abgebrochen, um den Mann zu heiraten. Haben Sie „lobola“ (Brautgeld) für Ihre Tochter bekommen? Die Mutter verneint. Ich erkläre den beiden, dass eine Schwangerschaft mit 15 Jahren zu früh sei und für das Mädchen gefährlich werden kann. Die Krankenschwester übersetzt. Habt ihr in der Schule über Aids gesprochen und wie man sich schützen kann? – Ja. Habt ihr über Empfängnisverhütung
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gesprochen? – Nein. Schließlich schicken wir sie zur family-planning-clinic, wo sie sich über Empfängnis- verhütung informieren kann. Wird ihr Mann das akzeptieren? Sehr fraglich. Möglicherweise ist er selbst HIV-infiziert und hat sich eine junge Frau genommen, um Aids loszuwerden, ein weit verbreiteter Irrglaube. Warum hat die Familie des Mädchens zugestimmt? Sie haben fünf Kinder, möglicherweise sind sie froh, einen Esser weniger am Tisch zu haben. Vieles bleibt uns verborgen. Über die Hälfte aller HIV-Infizierten sind Frauen und Armut und sozialen Strukturen in Afrika verhindern, dass sich Mädchen und Frauen vor frühen Schwangerschaften und Aidsinfektionen schützen können. Daran haben auch die bisherigen Aufklärungskampagnen nichts ändern können. Beim Abendessen diskutiere ich mit Hans darüber. Wir sind uns einig, dass nur eine Stärkung der Situation der Frauen die Aidsrate in Afrika vermindern kann, ein langer und schwieriger Prozess. Die wichtigsten Faktoren sind Bildung und Hilfe zur Selbsthilfe, beides wird durch die vielfältige Unterstützung und die Aktionen des Afrikaprojekts in vorbildlicher Weise hier in Zimbabwe gefördert. Wie gesagt, man braucht einen langen Atem. Und Hans und die Menschen, die sich im Afrikaprojekt engagieren, haben diesen langen Atem und wissen, was nötig ist, damit die Hilfe v or Ort bei den Menschen ankommt und sie in die Lage versetzt, sich selbst zu helfen. Ein Jogginglauf vor dem Abendessen führt mich tief in den Busch: ich höre rhythmische Gesänge, aus Neugierde laufe ich in ihre Richtung und finde unter einem Baum eine Gru ppe von 10 Menschen, in weiße Laken gehüllt, laut singend und sich ständig verbeugend, in ihrer Mitte ein knieender Mann, der gutturale Laute ausstößt. Alle sind in einem tranceähnlichen Zustand. Sie lassen sich durch meine Anwesenheit nicht beeindrucken. Ich bin fasziniert und gleichzeitig befremdet. Später erfahre ich, dass es sich um Mitglieder der Zionsekte handelt, einer amerikanischen Sekte, die sich in Afrika ausbreitet. Auf dem Heimweg werde ich von Tausenden von fliegenden Ameisen umschwirrt, die bei Sonnenuntergang losfliegen und auch unser Hospital nachts bevölkern. Nach dem Abendessen mache ich mich mit Moritz und Simon auf ins „Nachtleben“ von St.Lukes. Am Wegesrand – zwischen kleinen Läden und Verkaufsständen - liegen vier!! Kneipen, eine davon aus Naturstein und ganz hübsch. Die anderen drei sind hässlich, die Tresen mit Eisengittern verrammelt, laute Musik krächzt aus verstaubten Lautsprechern, wir machen uns schnell vom Acker. In der „hübschen“ Kneipe genehmigen wir uns ein Bier und bringen dem Besitzer nebenbei einige Brocken Deutsch bei. So ähnlich hat es wohl im wilden Westen ausgesehen. Nur laufen hier keine Pferde, sondern Esel herum. Morgen ist Samstag. Wir planen einen Ausflug in den Hwange Park. 12.11.2005
Um Mitternacht kommt ein Ambulanzwagen aus dem Binga Hospital mit sechs Patienten. Binga liegt 300 km nördlich von uns, am Lake Kariba, im Hospital arbeitet kein Arzt. Die Patienten haben eine 4-5-stündige Reise hinter sich. Eine von ihnen ein 2-jähriges Mädchen, sie soll vergewaltigt worden sein. Hans untersucht sie und füllt das benötigte Formular aus, damit das Kind und die Mutter mit der Ambulanz zurück fahren können. Eine andere ist eine hochschwangere Frau, die seit dem 8.11. in Wehen liegt, heute aber erst ins Binga Hospital gebracht wurde. Das Kind ist tot. Wir befürchten eine Uterusruptur. Welche Qualen muß die Frau in den letzten Tagen durchgestanden haben. Hans operiert sie sofort, ich assistiere ihm. Die Gebärmutter hat einen großen Einriss, das tote Kind einen Hydrocephalus (Wasserkopf). Das war der Grund, warum die Frau nicht gebären konnte. Wegen des tiefen Risses müssen wir die Gebärmutter entfernen, wegen starker Blutungen eine schwierige Operation. Hans ist ein sehr erfahrener Operateur und die OP verläuft ohne Komplikationen. Um ½ vier Uhr sind wir fertig. Übermüdet machen wir uns heute morgen mit Moritz und Simon auf den Weg nach Hwange. 13.11.2005 Zwei anstrengende, schöne Tage liegen hinter uns. Stundenlang sind wir durch den Hwangepark gefahren – den ich vor 20 Jahren mit Brigitte, Johanna und Lena besucht habe. Er ist so groß wie Belgien. Wir haben Löwen, Elefanten, Giraffen, Büffel, Zebras, Antilopen, Adler, Kronenkraniche,
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Warzenschweine, Hippos, Krokodile und vieles mehr beobachtet. Der Park ist sehr trocken, die Tiere haben sich tief in den Busch zurückgezogen. Viele von ihnen verdursten, wir sehen ausgemergelte Elefanten und Kadaver. Nur wenige Wasserstellen werden mit Pumpen versorgt. Hier muß es viel regnen, damit sich Natur und Tiere wieder erholen können. Spätnachmittags zurück in St.Lukes. Dr. Julie hatte eine Menge zu tun, Viele neue Patienten sind gekommen. Morgen beginnt unsere letzte Woche, schade, die Zeit vergeht wie im Fluge. 14.11.2005 Der Morgen beginnt entspannt um 6 Uhr mit einem Lauf der aufgehenden Sonne entgegen. Die Zikaden machen einen ohrenbetäubenden Lärm. Ich begegne vielen Kindern auf dem Weg zur Schule. Schulbusse? Eine Erfindung für die Reichen. Nach der Assembly Visite auf Kinderstation. Eine Mutter ist am Wochenende mit i hrem Kwashiokorkind nach Hause gegangen, obwohl es nicht gut dran ist. Viele neue Kinder sind übers Wochenende aufgenommen worden, mit Verbrennungen, Lungenentzündungen, Aids. Dann kommt ein Onkel von Precious und Previous und sagt, dass ihre Mutter am Woc henende verstorben sei, an Aids. Die 14-jährige Tochter, die sich um ihre kleinen Geschwister kümmert und sie liebevoll pflegt und ernährt, weint stumm in sich hinein. Sie heißt Senzelweyinkosi, ein Geschenk Gottes. So verhält sie sich auch. Ihre Mutter is t tot, der Vater verschwunden, so ist sie nun das Familienoberhaupt und muß sich noch um zwei weitere Geschwister kümmern, die bei der Gogo (Großmutter) sind. Niemand weiß, wovon sie überleben sollen. Sie wird noch einige Zeit bei und bleiben, bis die Kle inen weiter zugenommen haben. Auf Männerstation das gleiche Bild: alle Betten sind voll. Die meisten neuen Patienten haben Aids und Tuberkulose. Hans operiert eine Frau mit Darmverschluß. Er findet einen Darmtumor und legt einen anus praeter (künstlicher Darmausgang) an. Später soll sie in das große Krankenhaus nach Bulawayo verlegt werden, damit der Tumor entfernt werden kann. Mittags in der OPD: innerhalb weniger Minuten werden zwei Männer mit Schlangenbissen gebracht. Einer ist vor einigen Tagen von einer Puffotter in die linke Hand gebissen worden, der ganze Arm ist geschwollen und sehr schmerzhaft. Sein Allgemeinzustand ist gut. Der andere wurde heute morgen von einer Kobra in den linken Unterschenkel gebissen. Ihm geht es schlecht, er ist verlangsamt, seine Sprache verwaschen, kann Arme und Beine nur mühsam bewegen. Einige Stunden später hat sich sein Zustand weiter verschlechtert, Speichel läuft aus seinem Mund, er kann nicht mehr sprechen und schlucken. Das Gift der Kobra führt zu Nervenschäden und Lähmungen. Wir spritzen ihm 5 Ampullen unseres Schlangenserums. Es ist schon seit einigen Monaten abgelaufen. Wir haben es für teures Geld in Südafrika gekauft, sagt Hans, es ist das Einzige, was wir haben. Schlangenserum ist eine gefährliche Medizin und kann zu schweren allergischen Reaktionen führen, unser Patient verträgt es gut. Wir hoffen, dass es ihm hilft. Jetzt ist die Zeit der Schlangenbisse, sagt Hans, mit Beginn der Regenzeit kommen sie aus ihren Löchern. Mittags wird ein 10-jähriges Mädchen mit schwerster Atemnot gebracht. Sie ist Aidswaise und lebt bei ihrer Tante. Die Tante sagt, das habe vor 12 Tagen angefangen, dann sei sie mit dem Mädchen vor 4 Tagen zu den traditionellen Heilern gegangen, die eine Medizin aus Puder gaben. Dann sei es immer schlimmer geworden. Ich fürchte, dass das Kind in kurzer Zeit erstickt, trage es auf die Kinderstation und wir geben alle Medizin, die wir hier zur Verfügung haben (Kortison, Salbutamol, Adrenalin s.c., Sauerstoff - Inhalationen). Über eine Stunde rühren wir uns nicht von der Seite des Mädchens, das sich ganz langsam erholt. Die Krankenschwester macht ihre Sache hervorragend, bleibt ruhig und handelt umsichtig in dieser Notfallsituation. Ich frage die Tante – beide Eltern sind verstorben-, warum sie so lange gewartet hat. Keine Antwort. Langsam geht es dem Kind etwas besser. Unsere Medikamente scheinen zu wirken. Viele Patienten warten in der OPD (Ambulanz) auf uns. Eine von ihnen ist eine 40-jährige Frau. Sie sieht krank und abgemagert aus, ein fast sicheres Zeichen für Aids. Ich frage nach ihren Beschwerden. Husten, Fieber, Durchfälle, Gewichtsverlust, Nachtschweiß seit einigen Monaten: untrügliche Zeichen von Aids, eventuell noch Tuberkulose. Haben Sie einen Mann? – Er ist vor 4 Monaten verstorben. (an Aids) Wie viele Kinder haben Sie? – Acht. Wie alt sind sie – Der jüngste 1 Jahr, der Älteste ist 18. Wo sind die Kinder jetzt? – Alle zu Hause. Kümmert sich jemand um sie? – Nein. Sie passen auf sich selbst auf.
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Bekommen Sie Unterstützung? – Nein. Was haben die Kinder zu essen? – Die Frau schluchzt auf. - Als ich ging, war nichts mehr zum Essen da. Deswegen habe ich so lange gewartet. Wie lange sie noch leben wird, weiß niemand. Viele unserer Patienten haben ein ähnliches Schicksal. Nach einem arbeitsreichen Tag sage ich zu Hans: ich bewundere Dich dafür, was Du Tag für Tag hier tust. In diesem Hospital könnten 10 Ärzte arbeiten, und Du machst es allein mit Dr. Julie. Dafür haben wir schließlich Medizin studiert, antwortet Hans. Im mai 2001 hat er in St. Lukes angefangen und war seitem nicht mehr in Urlaub. Am späten Abend die Katastrophe. Das 10-Jährige Mädchen verschlechtert sich plötzlich und verstirbt. Von der Tante erfahren wir, dass sie vor einigen Tagen eine Frucht aus dem Busch gegessen habe. Die Schwestern sagen, dass machen die Kinder manchmal, um ihren Hunger zu stillen. Die Körner der Frucht seien sehr giftig. Ob das der Grund ist für den Tod des Mädchens? Wir werden es nie erfahren. Ein weiteres Kind verstirbt heute Abend. Dem Mann mit dem Kobrabiß geht es etwas besser. Ein schwacher Trost. 15.11.2005
Seit 2 Tagen ist es wieder sehr heiß, die Regenwolken sind verschwunden. Die Zikaden machen einen Höllenlärm. Die letzte Nacht mit den zwei verstorbenen Kindern steckt uns noch in den Knochen. Der erste Gang nach der Assembly gilt dem Kobramann. Er hat eine gute Nacht verbracht, ist noch etwas durcheinander, kann wieder schlucken und alles bewegen. Das Schlangenserum hat gewirkt. Drei weitere Patienten mit Puffotterbissen liegen zur Zeit bei uns, sie haben Schmerzen, ansonsten geht es ihnen gut. Als erstes macht Hans einen Kaiserschnitt bei der Frau mit dem gebrochenen Oberschenkel. Ihr Bein ist stark angeschwollen und wir fürchten eine Thrombose. Als wir sie am Abend besuchen, strahlt sie Hans an und sagt: I wish you a long life. Die Patienten hier sind sehr dankbar. Mutter und Kind geht es gut. Die Stationen sind überfüllt. Unter vielen Betten schlafen Patienten auf dem Boden. Niemand käme auf den Gedanken, sich darüber zu beklagen. Welch ein Unterschied zum Anspruchsdenken vieler Menschen bei uns. Ein unterernährtes Kind hat einen Abszess am Auge entwickelt, den ich in Narkose eröffne. Heute treffe ich Mrs. Katazile Dube wieder. Im letzten Jahr bekam die aidskranke Frau Zwillinge, die sich außerhalb der Gebärmutter entwickelten und von Hans durch Kaiserschnitt geboren wurden – der weltweit erste Fall. Danach war die Frau durch die Aidskrankheit sehr geschwächt, hatte ständig hohes Fieber, die Wunde heilte schlecht, sie kämpfte um ihr Leben. Die Zwillinge wurden von der Gogo (Großmutter) versorgt, die immer in der Nähe war. Schließlich erholte sich Mrs. Dube. Die Zwillinge waren klein, nahmen aber gut an Gewicht zu. Eines Tages konnten sie nach Hause gehen. Zunächst ging alles gut, die Kinder bekamen Michnahrung aus dem Hospital. Nach einiger Zeit wurden sie der unsäglichen traditionellen Methode des smoking (Inhalation des Rauches von brennenden Heilkräutern) ausgesetzt und verstarben. Es muß für Hans und alle, die um das Leben dieser Kinder gekämpft hatten, schrecklich gewesen sein. Mrs. Dube wurde die erste Patientin, die in St.Lukes mit Aidsmedikamenten behandelt wurde. Sie erholte sich gut. Mitlerweile hat sie ihr normales Gewicht erreicht und sieht fast wie eine gesunde Frau aus. Regelmäßig kommt sie zu Kontrolluntersuchungen und holt ihre Aidsmedikament bei Hans ab. Mittags machen wir einen Besuch in der Nähschule. Sie liegt am Rande des Hospitalgeländes und wurde durch das Afrikaprojekt-Dr.Schales mit deutschen Spenden gebaut. Als ich im le tzten Jahr hier war, stand es im Rohbau, jetzt ist es fertig. In dieser Woche hat der 2. Nähkurs begonnen mit neun jungen Frauen, die ein halbes Jahr das Nähen erlernen. Danach können sie sich mit den erlernten Fähigkeiten auf die eigenen Füße stellen. Ein tolles Beispiel für eine gelungene Hilfe zur Selbsthilfe. Einen Steinwurf entfernt liegt die Krankenpflegeschule. Sie ermöglichst jedes Jahr 25 jungen Zimbabwern die Ausbildung zur Krankenschwester oder – pfleger. Auf jeden freien Platz kommen über 100 Bewerbungen. Die Ausbildung dauert 3 Jahre. Schon früh erlernen die angehenden Krankenschwestern selbständige Arbeit, bei den Visiten sind sie es, die dem Doktor die Patienten vorstellen. Heute kommt eine Regierungskommision und inspiziert das Krankenhaus. Sie sind von den
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Leistungen des Hospitals und den Verbesserungen, die dank des Afrikaprojektes erreicht wurden, beeindruckt. Kein Wunder, denn St.Lukes ist eines der wenigen gut funktionierenden Hospitälern im Lande. Am Ende der Sitzung wird gebetet. Zufrieden zieht die Kommission von dannen. Am Schluss fragen wir nach Schlangenserum. Das gibt es in Zimbabwe nicht, wenn Du von einer Schlange gebissen wirst, entweder Du überlebst oder Du stirbst, lautet die Antwort. Hans hängt sich gleich ans Telefon und versucht, neues Serum aus Südafrika zu bekommen. Abends kommt einen Anruf aus Bulawayo. Morgen sollen wieder sieben Tonnen Nahrung kommen, die wir an Bedürftige verteilen können. Eine Spende aus Deutschland. Nach Sonnenuntergang geht der Vollmond auf. Ein tolles Schauspiel. Mit Moritz mache ich einen kurzen Besuch in einer der Dorfkneipen. Unser Schaukelprojekt nimmt konkrete Gestalt an. Heute haben wir endlich das nötige Holz bekommen. 16.11.2005 Der Morgen beginnt mit der Operation eines alten Mannes mit einem großen Nebenhodentumor. Visiten auf Kinder- und Männerstation, der Kobramann strahlt uns an und will nach Hause. Vorgestern war er fast tot. Noch einen Tag soll er bleiben. Die beiden Puffottermänner dürfen heute gehen, zwar sind Arm bzw. Bein noch deutlich geschwollen, aber sie fühlen sich wohl. Wir brauchen dringend Männerbetten, zu viele Patienten müssen auf dem Boden liegen. Ich entlasse auch einige Aidspatienten, sie gehen, sobald sie sich etwas besser fühlen, bald werden sie wiederkommen oder zu Hause sterben. Ein 10-jähriger Junge wird auf die Kinderstation gebracht. Er ist in Begleitung seiner Gogo (Großmutter). Er heißt Umzeth. Vor 2 Wochen hat er sich am Fuß verletzt, danach sei die Wunde vereitert. Der Junge ist in einem schlimmen Zustand. Der rechte Fuß ist stark entzündet, mit einer großen eitrigen Wunde, die Infektion hat auf seinen ganzen Körper übergegriffen, viele seiner Gelenke und das Gesicht sind stark angeschwollen. Ich habe Hunger ist das erste, was er sagt. Wir geben ihm Schme rzmittel und Antibiotica, eine Bluttransfusion (sein Hb ist 3,5). Morgen wollen wir in Narkose den eiternden Fuß eröffnen. Warum kommen Sie so spät, frage ich die Gogo. Ich hatte kein Geld für den Bus, sagt sie. Erst heute haben es mir Nachbarn geliehen. Sie ist ärmlich gekleidet und kommt von weither, ich glaube ihr. Mittags stehen oder liegen viele Patienten in der OPD. Ein Ansturm, wie fast jeden Tag. Darunter ein Zwillingspärchen, 2 Jahre und 4 Monate alt, vom Vater und der Großmutter gebracht, extrem unterernährt. Sie wiegen 6 kg. Ihre Mutter sei verschwunden. Sie waren schon vor einigen Wochen hier, wurden behandelt und gefüttert, jetzt nehmen wir sie wieder auf. Ein 14- jähriges Mädchen kommt herein, sie ist hochschwanger, sagt, sie sei vergewaltigt worden. Gehst Du noch zur Schule? – Nein. Warum nicht? - Meine Mutter sagte mir, ich soll nicht mehr hingehen. Wolltest Du das? – Nein. Die Schwangerschaft ist in Ordnung. Hans füllt ein Formular für die Polizei aus. Was wird wohl aus den beiden werden? Dann wird auf der Ladefläche eines Pickups ein junger Mann gebracht. Er hat sich bei einem Verkehrsunfall den Oberschenkel gebrochen. Er ist im Schock, wir geben ihm Infusionen, um seinen Kreislauf zu stabilisieren. Einige Stunden später wird er bewusstlos, wir vermuten eine Gehirnblutung und schicken ihn abends in unserem Ambulanzwagen nach Bulawayo. Er wird noch heute Nacht dort sterben. Beim Abendessen unterhalten wir uns mir Mrs. Gabelah, der Leiterin der Krankenpflegeschule, über die Situation der Mädchen und Frauen. Ausgangspunkt sind die erschreckenden Aidszahlen aus unserem Distrikt und vor allem der doppelt so hohe Anteil aidsinfizierter Mädchen (s. 9.11.). Für sie sind die Gründe klar: schon junge Mädchen werden sexuell aktiv, nicht selten mit 13 oder 14, häufig gezwungen oder missbraucht von älteren Männern und mit Aids infiziert. Mädchen und Frauen werden erzogen und - wenn sie nicht wollen, gezwungen - sich den Männern unterzuordnen. Die versprochene Nahrungsmittelhilfe ist angekommen. Moritz’ Schaukel steht noch nicht, er ist noch auf der Suche nach langen Schrauben.
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17.11.2005 Ein heißer Tag, das Thermometer klettert auf 40 Grad. Heißer Wind aus der Kalahari. Es türmen sich schwarze Regenwolken auf. Als erstes eröffne ich den Abszess Umzeth. Eine große Entzündungshöhle hat sich um das ganze Fußgelenk gebildet, daraus fließen 2 Tassen voller Eiter. Welche Schmerzen muss er in den letzten 2 Wochen ertragen haben. Als ich ihn nachmittags besuche, lächelt er und sagt: mir geht es gut. Er hat weiterhin hohes Fieber und Schmerzen. Sein Fuß ist in einem dicken Verband. Die Kinder lernen hier früh, Leid und Schmerz zu ertragen. Hans macht eine Gebärmutteroperation. Nachmittags begleite ich ihn bei der Visite auf der Frauenstation. Auch hier liegen viele Patientinnen mit Aids. Eine Frau ist mit heftigen vaginalen Blutungen aufgenommen worden. Sie hat einen Hb von 2% und bekommt eine Bluttransfusion, danach steigt der Hb auf 3, sie sagt es geht mir besser und sie möchte gehen. Natürlich muss sie bleiben. Eine junge Frau mit fortge- schrittener Aidserkrankung stellt Hans mit antiretroviralen Medikamenten ein. Da er nur so wenige Aidskranke behandeln kann, ist die Entscheidung schwer, wer behandelt werden kann und wer nicht. Darum beneide ich Hans nicht. Vielleicht stirbt sie, bevor die Aidsmittel wirken. Auf den Visiten werden die Schwestern im 3. Lehrjahr geprüft. Sie müssen die Patienten vorstellen mit Vorgeschichte, Untersuchungsergebnissen, Diagnose und Behandlung. Es wird viel verlangt von ihnen. Die meisten sind gut vorbereitet und machen ihre Sache prima. Der Kobramann darf nach Hause. Er freut sich. Bei einem jungen Mann mit Aidsverdacht ist der Test in Ordnung. Von den zahllosen Aidstesten, die wir in den letzten Wochen haben durchführen lassen, eine der wenigen Ausnahmen. Über 90% der HIV Teste unserer Patienten sind positiv. Moritz hat die Kinderstation fest im Griff. Immer wieder springt er in die Zimmer und spielt mit den Kindern, die rufen schon, wenn sie ihn von weitem sehen. Unser Schaukelprojekt gerät in Gefahr: das Holz ist da, die Löcher gebuddelt, doch fehlt es an den richtigen Schrauben. Vielleicht bleibt es unvollendet, wie so manches in Afrika. Abends das Gewitter. Der afrikanische Himmel wird von unzähligen Blitzen erhellt. Dann kommen Sturm, Hagel und sintflutartiger Regen. Nach zwei Stunden ist es vorbei. Der Strom ist wieder weg. Wir sitzen im wieder Dunkeln. 18.11.2005
In der morgendlichen Assembly sagt Hans, dass Moritz und ich nach Deutschland zurückkehren und dankt für unsere Hilfe. Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit und versprechen, das, was wir gesehen haben, zu Hause weiterzugeben. Die Menschen hier sind sich der andauernden Unterstützung aus Deutschland bewusst, sie sind sehr dankbar dafür. Sie singen ein besonders schönes Dankeslied. Beim Frühstück unser beliebtes Ratespiel nach jedem Regen: wir wetten, wieviel gefallen ist. Im Garten steht ein kleiner Messbehälter, Antonia entleert ihn. Der Messvorgang ist ein Ritual, das von allen genau kontrolliert wird. Heute Morgen sind es 35 mm. Seit gestern famulieren fünf Medizinstudenten aus Harare in St.Lukes. Vor den Visiten haben wir 10 Minuten Zeit, mit ihnen zu sprechen. Wie viele Medizinstudenten seid Ihr in der Universität? – 180 in jedem Jahr. Sie berichten von ihrem studentischen Alltag. Werdet Ihr nach dem Examen in Zimbabwe arbeiten? – Nein. Wir gehen fort. Kinderstation. Wir können einige Kinder nach Hause schicken. Alle sind HIV infiziert. Sie bekommen wie die Erwachsenen eine tägliche Prophylaxe mit einem Antibioticum (Cotrimoxazol), um sie vor opportunistischen Infektionen zu schützen. Sie sollen sich einmal im Monat vorstellen und werden für vier Wochen mit dem Medikament versorgt. Wir wollen im nächsten Jahr damit anfangen, auch die Kinder mit Aidsmedikamenten zu behandeln, sagt Hans. Ein neuer Kollege und Kinderarzt kommt Anfang 2005 aus Würzburg für ein Jahr. Er soll die Aidstherapie etablieren. Umzeth, unseren Jungen mit dem großen Abszess am Fuß frage ich: Kunyani? (wie geht es Dir?) Er lächelt er tapfer und sagt: Kuncono. (Mir geht es besser). In Wirklichkeit geht es ihm schlecht. Er hat
Zimbabwe Tagebuch Dr. Gerd Reichenbach / 2005 Seite 15 von 16
einen neuen Abszess an der Schulter entwickelt. Nachmittags eröffne ich den Abszess, wieder entleert sich viel Eiter. Mittlerweile haben die Bakterien seinen ganzen Körper überschwemmt. Als er aus der Narkose erwacht, frage ich ihn: Hast Du Schmerzen? – Nein. Ich habe Hunger. Mittags unterhalte ich mich mit Sigungo Ndlovu, einem Aidsberater des Hospitals. Ich möchte mehr über die Beratung erfahren. Vor jedem Aidstest führen die Patienten ein Gespräch mit einem der Berater. Sie machen sich ein Bild von der persönlichen Situation des Patienten, erklären die Grundzüge der Aidsinfektion und die Möglichkeiten der Vorbeugung und Behandlung. Erst nach dem Gespräch entscheiden die Patienten, ob sie sich testen lassen wollen. Die Bereitschaft zum Aidstest hat zugenommen, seitdem -wenn auch nur wenige- Aidsmedikamente zur Verfügung stehen. Das Stigma eines positiven Aidstests ist sehr groß, sagt Sigundo, da viele Menschen hier glauben, das HIV Positive ein unmoralisches Leben führen und selbst Schuld an ihrer Infektion sind. Dabei werden viele Frauen von ihrem Partner angesteckt. Schwangere werden zwar in Gruppen über Aids aufgeklärt, kommen aber häufig nicht zum Aidstest. Sie haben Angst vor dem Ergebnis und wollen vorher die Einwilligung des Mannes. Dabei wären Aidsteste bei Schwangeren besonders wichtig. Denn aidsinfizierte Mütter bekommen am Beginn der Wehen und die Neugeborenen am ersten Tag Nevirapine, ein von der deutschen Firma Böhringer entwickeltes Aidsmedikament, das die Infektionsrate der Kinder auf unter 10% senken kann. Da über 30% der Schwangeren vermutlich aidsinfiziert sind, werden jeden Tag Kinder geboren, die diesen Schutz nicht bekommen und bei der Geburt infiziert werden. Gibt es eine Lösung? Man müsste die Einwilligung zum Aidstest holen, wenn die Frauen noch zu Hause sind, aber dazu fehlen die Berater. Hans ist darüber sehr unglücklich. Er möchte alle Frauen testen. Wir haben die versprochene Nahrungsmittelhilfe bekommen. Es sind 38 Tonnen. Ein großer Sattel- schlepper hat sie gebracht. Die Säcke sind in der Eye Clinic (Augenklinik) gespeichert, einem Gebäude, das von Lions International gestiftet wurde. Hier türmen sich die Säcke bis zum Dach. Donation of the Federal Republic of Germany (Spende der Bundesrepublik Deutschland) steht auf ihnen zu lesen. Vor dem Schlafengehen besuche ich den tapferen Umzeth. Kunyani? – Kuncono. Seine Fieber ist gefallen. Wir haben die Antibiotica umgestellt, hoffentlich wirken sie. Ein Gewitterschauer hat etwas Regen und Abkühlung gebracht. Der Generator wird abgestellt, unser Hospital liegt wieder im Dunkeln. 19.11.2005
Der letzte Tag in St.Lukes. Nach dem Regen ein klarer Sommermorgen. Wir machen Visiten bei den Kindern und den Männern und ich übergebe die Stationen an Dr. Julie. Umzeth geht es etwas besser, das Fieber ist gesunken, ich verbinde seine Wunden. Previous und Precious haben gut zugenommen und wiegen 3,4 und 3.5 kg. Ihre Schwester Senzelweyinkosi wäscht und füttert sie und schläft nachts mit ihnen auf dem Fußboden. Sie hat die Rolle Ihrer verstorbenen Mutter angenommen. Vor 10 Tagen lagen die Kleinen noch apathisch in ihren Bettchen, kaum zu glauben, wie sie sich in der letzten Woche entwickelt haben. Aufmerksam schauen sie uns bei der Visite an und greifen nach unseren Händen. Lange sprechen wir mit Senzelweyinkosi und machen Pläne, wie wir sie unterstützen können. Denn zu Hause sind noch zwei kleine Geschwister. Wie wird es Previous und Precious ergehen, wenn sie zurück in ihrer Hütte sind? Werden sie das gleiche Schicksal erleiden wie so viele Kinder hier? Sipheteni kommt uns wie jeden Morgen lachend entgegen. Ihre kleine Schwester Gugulethu hat das Laufen gelernt und macht die ersten selbständigen Schritte. Was wird aus den beiden Aidswaisen werden? Hans sucht nach einer Lösung, die ermöglicht, dass die beiden zusammen bleiben. Er denkt an das SOS Kinderdorf in Bulawayo und wird versuchen, sie dort unterzubringen. Dr. Julie macht einen Kaiserschnitt, Hans einen gynäkologischen Eingriff. Es ist Samstagmorgen, auf den Stationen ist viel zu tun, in der Ambulanz warten wenige Patienten. Zum Mittagessen sitzen wir alle zusammen, Hans, Julie, Simon, Moritz und ich. Mrs. Gabelah, die Schulleiterin, fehlt heute Mittag. Unsere Köchin Antonia sich eine Überraschung ausgedacht: Simone, gestampfter und gekochter Mais mit Peanutbutter. Dazu Hühnchen. Es schmeckt vorzüglich. Ein großes Kompliment an unsere Köchinnen Antonia und Mabena, die dreimal am Tag ein Essen auf den Tisch zaubern.
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Gegenüber dem Hospital besuche ich eine alte Frau. Sie ruht sich unter dem Mangobaum aus. Im vergangenen Jahr habe ich sie zuletzt besucht. Wie alt sie ist, weiß sie nicht. Ihr fehlt ein Auge. Drei Hütten gehören ihr, seit dem letzten Jahr hat sie eine neue gebaut. Das ist ihre Küche, eine Feuerstelle am Boden, einige Töpfe und Teller. Das Strohdach der Schlafhütte hat seit dem Gewittersturm ein Loch. Hinter den Hütten liegt ihr Maisfeld, das sie selbst bewirtschaftet. Eine starke Frau. Mit Simon fahre ich zum Bewässerungsprojekt nach Siziphile. Es wurde vom Afrikaprojekt aufgebaut. Der große Garten wird vom naheliegenden Dorf bewirtschaftet. Die Dorfbewohner haben die Auflage, als Gegenleistung zwanzig Aidswaisen in ihrer Gemeinschaft zu versorgen. Der Wasserspeicher im Garten ist gefüllt. Dann fahren wir zu Bohrloch des Hospitals, aus dem das köstliche St.Lukes Wasser aus 120 Meter Tiefe gepumpt wird. Auf dem Weg kommen wir an einem großen Feld vorbei. Hier wird im nächsten Jahr eine Farm entstehen, auf der Gemüse, Salat, Kohl, Möhren und Mais für das Hospital angebaut werden. Moritz spielt mit den jungen Schwestern und Pflegern Netball, eine Art Basketball. Leider ist seine Schaukel für die Kinderstation nicht fertig geworden. Die Schrauben fehlen. Mr. Dube, der fähige Schreiner unseres Hospitals, wird sie besorgen. Er hat versprochen, die Schaukel nächste Woche aufzustellen. Bei einem Rundgang durchs Hospital höre ich Gesang. Vor der Tuberkulosestation haben sich unter einem hohen Baum ein Dutzend Frauen versammelt. Sie singen wunderschöne, melodische afrikanische Lieder. Sie strahlen etwas Kraftvolles und einen Willen zum Leben aus. Der Zauber ihrer Lieder hält mich eine Weile gefangen. In den Ästen des Baumes fliegen die Webervögel hin und her und bauen ihre kunstvollen Nester. Am späten Abend geht es Umzeth besser. Das Fieber ist weiter gefallen. Er kann die entzündete Schulter schon wieder bewegen. Die Antibiotica wirken, er bekommt eine zweite Bluttransfusion. Seine Chancen, die schwere Infektion zu überstehen, steigen. Ein tapferer Bursche. An seinem Bett steht Senzelwenyinkosi und gibt ihm zu trinken. Die Kinder helfen sich hier gegenseitig. Das lässt sie ihr Schicksal besser ertragen. Der Abschied von St.Lukes fällt Moritz und mir schwer. Abschied von den vielen kleinen und großen Patienten, die uns so viel gelehrt haben, von den freundlichen Schwestern und Pflegern, von unseren lachenden Köchinnen Antonia und Mabena, von der engagierten Dr. Julie und von Dr. Hans Schales, einem Arzt mit dem Herzen am richtigen Fleck, der durch seine Arbeit und sein Afrikaprojekt so vielen Menschen hilft und ihnen Hoffnung gibt. In der Geburtshilfestation ist das 1880. Kind in diesem Jahr geboren. Seit unserer Ankunft sind es 106 Neugeborene. Siehst Du, sagt Hans, alle Kinder sind gleich, wenn sie zur Welt kommen. Nur dass die hier Geborenen so wenig Chancen haben.
Resochin Tabletten / Resochin junior TablettenAnwendung in Schwangerschaft und Stillzeitheit, Verwirrtheitszustände, Schläfrigkeit,nicht angewendet werden, weil es die Pla-– passagere Akkomodationsstörungen,– Herz-Kreislauf-ReaktionenBehandlung ist eine Schwangerschaftauszuschließen. Während der Behand-lung und für drei Monate danach ist einwirksamer Konzeptionsschutz einzuhal-R
2612 – Substance Abuse and Drug-Testing Program Barton County Community College strongly believes that the use and abuse of illegal and/or banned drugs: A. Is detrimental to the physical and psychological health of students; B. Interferes negatively with the academic performance of students; C. Is dangerous to the life and health of the student and potentially his/her classmates/teammat